Zwei Schritte zurück …

Pressemitteilung der IG Freie Theaterarbeit, 7. Juni 2013
Förderinstrumente der Stadt Wien entwickeln sich konträr zu erklärten Zielen der Kulturpolitik

Mit einer Verzögerung von mehreren Wochen veröffentlichte die Kulturabteilung der Stadt Wien die Entscheidungen über die Projektförderungen für den Produktionszeitraum Herbst 2013. Mit nur drei Monaten Vorlauf sind viele Häuser und auch Gruppen bereits im akuten Planungsnotstand. Die Verschiebung der nächsten Einreichfrist auf den 15. Juli schafft aktuell für die Gruppen eine zeitliche Entzerrung – verzögert jedoch die Entscheidungsfrist im Herbst erneut. Dann beträgt der Vorlauf zum Produktionszeitraum wieder weniger als drei Monate – erneuter Planungsnotstand und Unsicherheit sind vorprogrammiert.

Das kann keine Lösung sein.

Das Volumen der jetzt vergebenen Projekte beträgt insgesamt nur 394.000 Euro. Kein Projekt erhält mehr als 25.000 Euro (drei Projekte von 22). Im Jahr 2014 werden von 2,5 Millionen Euro Projektförderung 1,425 Millionen Euro gebunden sein für Ein- und Zwei-Jahresförderungen. Das Instrument der Projektförderung übernimmt dann, mit weit mehr als der Hälfte seines Budgets, die stabilisierende Wirkung, die eigentlich dem Instrument mehrjähriger Förderungen zukommt. Vier Gruppen sind durch Zwei-Jahresförderungen in der Projektförderung aufgefangen worden – insgesamt mit einem Volumen von 400.000 Euro. Zwei von ihnen waren positiv in der Konzeptförderung bewertet. Aus Protest über massive Kürzungen der Theaterjury haben sie jedoch ihre Anträge zurückgezogen und stattdessen bei der Projektförderung eingereicht. Wohin sind die für sie bereitgestellten Mittel der Konzeptförderung gewandert?

Endlich sind auch die Hardfacts der Konzeptförderungen öffentlich:
Das Volumen des Instruments Konzeptförderung ist mit 6,5 Millionen Euro auf etwas mehr als die Hälfte des ursprünglichen Begutachtungsumfangs von 12 Millionen Euro geschrumpft. Die nicht unter externem bzw. gremialem Controlling stehenden Standort- und Strukturförderungen sind im Gegenzug überproportional gewachsen. Statt mehr Transparenz entsteht erneut ein struktureller Transparenzverlust im Dschungeldickicht von Vergabemodalitäten.

Der Betrag für freie Gruppen innerhalb der Konzeptförderung ist von bisher 2,5 Millionen Euro auf 2,125 Millionen Euro (die Theaterjury hätte in ihrem Gutachten für freie Gruppen weitere 100.000 Euro weniger, also 2,025 Mio. Euro vorgesehen) gesunken. Einige Gruppen (etwa Taschenoper, Wiener Wortstätten) sind mit empfindlichen Kürzungen konfrontiert – erhöht wurde hingegen niemand aus dem Feld der freien Gruppen – einige sind neu zur Konzeptförderung dazugekommen.

Welche Karriereoptionen und Existenzkonzepte bedenkt die Stadt für langjährig erfolgreiche freie Gruppen? Gibt es einen Entwicklungsspielraum jenseits der Konzeptfördermargen, der angemessene – professionelle – Entlohnung UND permanente Zusammenarbeit erlaubt – bzw. überhaupt die Einhaltung sozial- und arbeitsrechtlicher Normen?

Es ist ein Skandal, dass der Budgetanteil der freien Gruppen in der Konzeptförderung signifikant gesunken ist. Damit verschiebt sich erneut das Förderverhältnis in Richtung mehr Geld für Strukturen, mehr für die Großen und noch mehr für die ganz Großen: Im Instrument der Kleinen wird gespart, während im Vergleichszeitraum die großen Institutionen – außerhalb des Korpus der Reform – ein signifikantes, absolutes wie prozentuales MEHR verbuchen können – die Evaluation des NPO-Institutes aus dem Jahr 2012 belegt es.
Vieles jedoch bleibt weiter intransparent: Was geschieht mit dem KosmosTheater, dem Odeon, wo gibt es Aussagen über das Kabelwerk und daskunst?

Wir fordern für die Tanz-, Theater- und Performanceschaffenden mit Bezug auf das Gutachten der Theaterjury:

Förderungen:
• Die Projektförderungen müssen signifikant erhöht werden!
• Der Anteil der Freien Gruppen an der Konzeptförderung darf nicht unter 2,5 Millionen fallen – er muss steigen!

Arbeitsbedingungen:
• Sozial- und arbeitsrechtliche Normen gelten auch im freien Theaterbereich, Förderungen müssen professionelle Arbeitsbedingungen und Entlohnung ermöglichen.
• Professionelle Karriereverläufe und Entwicklungsmöglichkeiten von Gruppen brauchen neue Visionen /Instrumente.

Strukturen/Transparenz:
• Angemessene Zeitläufe zwischen Einreichfristen und Produktionszeitraum.
• Mehr Transparenz statt zurück in den Fördersumpf wachsender Summen für nicht extern evaluierte Standort und Strukturförderungen.

Kommunikation/Partizipation:
Es geht nicht an, dass Förderentscheidungen und strukturelle Entwicklungen die erklärten Ziele der Kulturpolitik unterlaufen!

Wir fordern die Aufnahme und Weiterführung professioneller Gespräche!

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Rückfragen:
Sabine Kock
Geschäftsführung, IG Freie Theaterarbeit
01-403 87 94
s.kock@freietheater.at
www.freietheater.at

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