Aus Anlass der Rede des Billeteurs im Burgtheater im Rahmen des Kongresses „Von welchem Theater träumen wir“:
Traum von sozialer Gerechtigkeit & gesellschaftlicher Teilhabe
gegen die Wirklichkeit von Konzernen und Abschiebegefängnissen
Das Outsourcing von Dienstleistungen ist eine für Arbeitgeber_innen erfolgreiche Strategie durch Lohnkosteneinsparungen Spielraum im Budget zu erhalten. Für Arbeitnehmer_innen bedeuten outgesourcte Verträge im Regelfall Arbeit für Dumping-Preise und eingeschränkten Zugang zur sozialen Absicherung und in einem System mitzuarbeiten, das sich von ihnen formal distanziert, indem es seine Arbeitgeber_innenverantwortung auslagert.
Dass dieses Auslagern von Menschen im Hochkulturbereich der Bundestheater seit Jahrzehnten praktiziert wird, überrascht und enttäuscht gleichermaßen. Zum wachsenden Gefälle zwischen wenigen Spitzenverdiener_innen und einer abnehmenden Zahl „Normalverdiener_innen“ schaffen derartige Auslagerungen strukturell eine dritte – wachsende – Ebene der „Working Poor“ im Segment der Hochkulturförderungen.
Die Bundestheaterholding (Staatsoper, Volksoper, Burgtheater) wird aktuell mit jährlich 150 Millionen Euro öffentlicher Mittel subventioniert – sie ist mit dieser Förderung angeblich Spitzenreiter in Europa. Allein der Betrag jährlicher Förderungssteigerungen der Holding von vier bis fünf Millionen Euro betrug im letzten Jahrzehnt pro Jahr mehr als das Doppelte der gesamten jährlichen Förderung für beinahe hundert freie Projekte und kleiner Theaterinstitutionen durch den Bund.
Die IG Freie Theaterarbeit weist seit Jahren auf die prekären Arbeitsbedingungen von Künstler_innen und Kulturarbeiter_innen insbesondere im freien Theaterbereich Österreichs hin und ringt mit Politiker_innen um die grundlegende und strukturelle Verbesserung der Einkommens- und der sozialen Situation von im Kulturbereich tätigen Menschen. Entgegen erklärter kulturpolitischer Intention ist in den vergangenen Jahren die Einkommensschere größer geworden und es arbeiten immer mehr Künstler_innen an immer mehr Orten zu immer prekäreren Bedingungen. Im Bereich der freien Theaterarbeit erlauben selbst die höchst dotierten Förderschienen (z. B. Mehrjahresförderungen Wien) für Gruppen nur selten die Einhaltung arbeits- und sozialrechtlicher Normen, wie mehrfach die Jury in ihrem Gutachten zur Konzeptförderung einräumte.
Die Tatsache, dass im höchst finanzierten Theatersegment seit mehr als einem Jahrzehnt durch Outsourcing die Erosion des Arbeitsmarktes weiter geöffnet wird, ist erschreckend. Erschreckend insofern, dass am unteren Einkommensende millionenschwerer Einrichtungen Menschen aus Effizienzgründen in erodierte Arbeitsverhältnisse entlassen und unhinterfragt Konzernen wie G4S überantwortet werden.
Aus der Rede des Billeteurs:
„G4S ist ein dänisch britisches Securityunternehmen mit Hauptsitz in Großbritannien. Es ist mit mehr als 600.000 Mitarbeitern, der größte Arbeitgeber an der Englischen Börse. Es agiert in mehr als 120 Ländern auf der Welt. G4S Österreich hat ca 3.000 MitarbeiterInnen und ist in Österreich einer der Marktführer in Outsourcing und Security-Solutions. Das Dienstleistungsportfolio des Unternehmens ist sehr umfangreich. […] G4S ist spezialisiert auf Outsourcing Solutions. Das heißt, es profitiert von der Übernahme ehemals öffentlicher oder korporativer Dienste. Es leitet und unterhält private Gefängnisse in England und den USA. Es organisiert Flüchtlingsheime, Abschiebegefängnisse und Sozialhilfe-Zentren in Nordengland. Außerdem kümmert es sich um den Schutz von Minen seltener Erden in Südamerika und Afrika, es fährt Sicherheitstransporte, es sichert westliche Unternehmen in Afghanistan, sichert Banken und Botschaften, Ölpipelines, Atomkraftwerke und Flughäfen weltweit. Mitte September diesen Jahres hat G4S Österreich einen 68 Millionen Euro Vertrag mit dem österreichischen Staat unterschrieben. Das Unternehmen wird in den nächsten 15 Jahren ein Abschiebegefängnis in Vordernberg in der Steiermark unterhalten und leiten.“
Wir treten entschieden gegen eine Finanzierung von Firmen wie G4S mit öffentlichen Kulturmitteln ein, unter deren Verantwortung Abschiebegefängnisse stehen und Menschen zu Tode gekommen sind.
Wir fordern von Burgtheater und Bundestheaterholding gerechte Löhne an alle Mitarbeiter_innen zu zahlen, statt die Schere zwischen Spitzengehältern und Lohndumping zu fördern und dem Outsourcen von Mitarbeiter_innen in Wort und Tat entgegenzutreten.
Wir fordern ein Burgtheater, das sich der österreichischen freien Theaterszene öffnet und Schnittstellenformate schafft.
Wir fordern ein grundlegendes Umdenken in der Förderpolitik.
Wir träumen mit Christian Diaz von einem Theater, „das sich gegen die Abschiebung von Menschen wendet, die in anderen Teilen der Welt unterbezahlt und in Elend die Produkte unseres Wohlstands herstellen.“
Wir fordern die Mitarbeiter_innen des Burgtheaters zur Solidarität auf.