Umfrageergebnisse: Freie Darstellende Künste bereit für Neustart

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PRESSEAUSSENDUNG
IG Freie Theaterarbeit am 19.05.2021

Umfrageergebnisse: Freie Darstellende Künste bereit für Neustart

Im Auftrag der IG Freie Theaterarbeit führte das Wiener Forschungsinstitut EDUCULT im Mai 2021 eine groß angelegte Studie mit dem Titel Strukturen, Transformation und Zukunft der freien darstellenden Künste durch. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, wo Handlungsbedarf besteht.

Vor dem Hintergrund der Covid-bedingten Restriktionen im Kulturbereich war es Ziel zu erheben, was kulturpolitisch und strukturell notwendig und gewünscht wäre, um den Herausforderungen der aktuellen und künftigen künstlerischen Arbeit zu entsprechen – und was das Publikum von der freien Tanz-, Performance- und Theaterszene erwartet.

Die Zusammenfassung der Umfrageergebnisse enthält detaillierte Angaben zu den Befragungsergebnissen.

Eine (tabellarische) Gesamtübersicht der Ergebnisse ist hier zu finden.

Um einen multiperspektivistischen Einblick zu erlangen richtete sich die Umfrage an drei Befragungsgruppen:

  • Veranstalter*innen
  • Künstler*innen im Bereich der freien darstellenden Künste
  • Besucher*innen von Veranstaltungen

An der österreichweiten Befragung beteiligten sich 45 Veranstalter*innen (darunter Festivals, Produktionshäuser, freie Spielstätten, veranstaltende Gruppen der freien Szene und weitere), 301 Künstler*innen und 350 Besucher*innen.

Eine große Mehrheit der Teilnehmenden aller Gruppen gab an, sich ein sozialbewusstes Angebot zu wünschen, das sowohl eine hohe künstlerische Qualität aufweist, als auch unterschiedliche soziale Gruppen inkludiert sowie gesellschaftspolitische Diskurse umfasst.

Einig waren sich Veranstalter*innen und Publikum auch im Bedürfnis nach umfassenden Sicherheitsmaßnahmen im Zuge der Wiedereröffnungen. 91% der Veranstalter*innen gaben an, die vorgegebenen Maßnahmen grundsätzlich erfüllen zu können, jedoch in diesem Zusammenhang auch vor finanziellen Herausforderungen zu stehen. Moderne Lüftungssysteme waren mit 84% die häufigste Erwartung des Publikums an ein Sicherheitskonzept, 60% sprachen sich außerdem für eine Testpflicht aus.

Starker Wunsch nach physischem Zusammenkommen

Obwohl 83% der befragten Besucher*innen angaben, Streaming-Angebote während des Lockdowns genutzt zu haben, möchte nur ein Fünftel nach der Wiedereröffnung diese Formate weiter konsumieren. Drei Viertel gaben als Grund hierfür an, dass es schlicht besser gewesen sei als gar kein Theater zu sehen.

Auch ein Großteil der befragten Künstler*innen möchte wieder in den physischen Raum zurückkehren. So gaben nur 9% an, nur noch rein digital arbeiten zu wollen. Hauptgrund hierfür war der fehlende Live-Charakter und der Wunsch danach, das Publikum sehen und spüren zu können.
Aber: Ein knappes Drittel kann sich auch zukünftig hybride Formate vorstellen. Diese Gruppe sah v.a. die Chance auf neue künstlerische Ästhetiken und das Erreichen neuer Zielgruppen.

Fehlen von sozialer Absicherung und Austausch als Manko für Einzelkünstler*innen

Die befragten Künstler*innen gaben an, dass ihnen neben einer ausreichenden finanziellen Grundlage für Projekte/Gesamtförderung (83%), eine finanzielle Absicherung für die private Lebensführung (83%) und eine gute soziale Absicherung für Krankheit und Pension (80%) fehlen.
Weiters werden von drei Viertel der Künstler*innen Gastspielmöglichkeiten und von über zwei Drittel Spielorte und Bühnen vermisst. Über zwei Drittel gaben darüber hinaus an, dass sie sich Förderformate in Form von Residenzen wünschen und über die Hälfte wünscht sich mehr Proberäume, Festivals, Stipendien und bessere Voraussetzungen zur Nutzung des öffentlichen Raums.

Insgesamt ist festzustellen, dass alle zur Auswahl stehenden austauschbezogenen Aspekte – sowohl international als auch innerhalb Österreichs – von der überwiegenden Mehrheit als fehlend bezeichnet werden.

Deutlich wurde zudem der Wunsch nach Förderformaten abseits der Projektförderung, über die sich 91% der befragten Künstler*innen finanzieren. Etwas mehr als ein Drittel macht von Einzelstipendien gebrauch und 30% nutzen Residenzförderungen. Eine Jahresförderung erhalten nur ein Fünftel, Gesamtförderung für zwei Jahre 6% und Konzeptförderung (mehr als zwei Jahre) 7% der Befragten. Das Interesse an anderen Förderformaten ist dementsprechend hoch.

Bessere finanzielle Ausstattung und Vermittlungskapazitäten für Veranstalter*innen

Vonseiten der Veranstalter*innen wurde angegeben, unbedingt mehr finanzielle Mittel für Koproduktionen, Kooperationen und Gastspieleinladungen zu benötigen.
Um den eigenen gesellschaftlichen Zielen gerecht werden zu können, brauchen 70% mehr Kapazitäten für Kulturvermittlung und Community-Building. Immerhin 65% erhoffen sich mehr Grundförderung. Hinzu kommt die Notwendigkeit neuer baulicher Infrastrukturen, um die gesundheitliche Sicherheit in Zusammenhang mit Covid-19 gewährleisten zu können.

Ulrike Kuner, Geschäftsführung IGFT: „Die Akteur*innen der freien darstellenden Künste sind bereit für den Neustart. Ihr Interesse gilt der Weiterentwicklung einer künstlerisch starken Szene. Wichtig ist ihnen die Ansprache und Integration des lokalen Publikums; parallel wünschen sich die Künstler*innen aber auch eine größere internationale Sichtbarkeit. Dementsprechend wurde in der Pandemie das Interesse für digitale Formate geweckt, hier wünschen sich die Künstler*innen weitere Unterstützung und entsprechende Förderformate. Formate wie Residencies, strukturelle Austauschmöglichkeiten, aber auch die sozialen Absicherung der Künstler*innen und Kunstarbeiter*innen sowie bauliche Voraussetzungen – z.B. starke Lüftungsanlagen – und Mittel für eine intensivere Vermittlungsarbeit sind dringende Forderungen, die durch die Pandemie noch einmal verstärkt wurden. Wichtig bleibt die Sicherheit der Künstler*innen auf und hinter der Bühne: Impfangebote müssen jetzt erfolgen, der Proben- und Vorstellungsbetrieb muss für alle Beteiligten sicher und mit einem so gering wie irgend möglich gehaltenen Gesundheitsrisiko stattfinden.”

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Die IG Freie Theaterarbeit wurde 1988 gegründet und ist Mitglied im Kulturrat Österreich. Seit 2018 ist sie Gründungsmitglied und Sitz des Europäischen Dachverbands der freien darstellenden Künste (EAIPA) mit Mitgliedern in derzeit 17 Ländern.

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