Stellungnahme der IGFT zum Entwurf der Gesetzesänderung zum Schauspielergesetz

Im Folgenden finden Sie die Stellungnahme der Interessengemeinschaft Freie Theaterarbeit zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Schauspielergesetz, das Urlaubsgesetz und das Arbeitsverfassungsgesetz geändert werden. BMASK-462.209/0001-VII/9/2010

Die Interessengemeinschaft Freie Theaterarbeit (IGFT) nimmt zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Schauspielergesetz, das Urlaubsgesetz und das Arbeitsverfassungsgesetz geändert werden (Bühnenarbeitsrechtsgesetz Bü-ARG), wie folgt Stellung.

Allgemeines/Rahmenbedingungen
Die IG Freie Theaterarbeit begrüßt den Entwurf zur Entwicklung eines Bühnenarbeitsrechtsgesetzes ausdrücklich, es entsteht ein modernes, mit aktuellem nationalen und Europäischen Arbeitsrecht konform gehendes Gesetz unter Wahrung der Schutzbestimmungen für Bühnentätige.

Dabei orientiert sich dieses Gesetz weiterhin grundsätzlich bzw. weitgehend am Modell eines ganzjährigen Bühnenbetriebes in einem festen Haus mit einem fest angestellten/ganzjährig beschäftigten Ensemble.

Diese Arbeitsrealität trifft allerdings nur noch auf sehr wenige Theater in Österreich zu und entspricht von daher nur mehr einem sehr kleinen Anteil der Bühnentätigen.

Für die Betriebsstrukturen von Sommertheatern und Festivals scheint eine Analogie zum ganzjährigen Spielbetrieb gerechtfertigt.

Für den Freien Theaterbereich trifft sie grundsätzlich überhaupt nicht zu.
Dort herrschen kurzfristig wechselnde Beschäftigungsverhältnisse zwischen Anstellung und Selbstständigkeit mit dazwischen liegenden Zeiten von Arbeitslosigkeit bzw. ohne Einkommen vor.
Dies trifft auch auf den Bereich der Klein- und Mittelbühnen zu, verbunden mit einem gravierenden Unterschied: Der Arbeitsbetrieb in Klein- und Mittelbühnen entspricht den Betriebsstrukturen einer größeren Bühne, nur lassen die Förderbedingungen hier keine kontinuierlichen Beschäftigungsverhältnisse der auf der Bühne Wirkenden zu.
Im Freien Theaterbereich sind die Arbeitsstrukturen dagegen in der Regel durch nicht hierarchische, selbstbestimmte Formen der Zusammenarbeit gekennzeichnet.
Für alle genannten Bereiche besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen Förderpolitik und Beschäftigungsstrukturen.
(Natürlich haben diese Beschäftigungsstrukturen auch ganz massiven Einfluss auf das, was auf der Bühne geschieht und etwa auf das innovative Potential zur Entwicklung neuer Theaterformen, Genres etc. – nur in wenigen Ausnahmefällen erlauben die Arbeitsstrukturen eine kontinuierliche gemeinsame Entwicklungs- und Recherchearbeit einer Freien Gruppe, aber das ist eine andre Problematik)

Studie zur Sozialen Lage der Künstlerinnen und Künstler in Österreich
Die Studie zur Sozialen Lage der KünstlerInnen in Österreich (Schelepa et al. 2008, S. 58) weist trotz bestehendem Schauspielergesetz eine bedenkliche Erosion der Anstellungsverhältnisse auf.
So arbeiten 49,7% der RespondentInnen aus der darstellenden Kunst insgesamt ausschließlich selbstständig, 50,3% selbstständig und angestellt und lediglich 2,4 (!) % ausschließlich angestellt.

75 ,5 % der RespondentInnen in der darstellenden Kunst haben keine Integration ins ALVG (Schelepa et al. 2008, S. 109), also ggfs. kein Anrecht auf Arbeitslosengeld.

Bei den Anstellungen (Mehrfachnennungen möglich) weisen 11% tageweise Beschäftigungen, 8,9% wochenweise Beschäftigungen, 10,7% Beschäftigungen unter einem Monat, 24,4% Beschäftigungen von 1-3 Monaten, 13% drei- bis sechsmonatige Projekte, 13% Beschäftigungsverhältnisse bis zu einem Jahr aus; immerhin noch 42% der genannten Anstellungsverhältnisse dauern über ein Jahr (dabei handelt es sich um Verträge an den etablierten Häusern, im Freien Theaterbereich gibt es bis auf wenige Ausnahmen kaum dauerhafte Anstellungen).
Demgegenüber haben 87,8% der Sparte Auftragsarbeiten (also selbstständige Tätigkeiten) durchgeführt – insgesamt durchschnittlich 12 verschiedene pro Jahr.
40,2% der selbstständigen Tätigkeiten (Mehrfachnennungen möglich) dauern nur einen Tag, 31,9% bis zu einer Woche, 28,3% bis zu einem Monat, 45,7% ein bis drei Monate, 16,1% der Auftragsarbeiten haben einen Umfang von drei bis sechs Monaten, 10,2% bis zu zwölf Monaten und 6,7% länger als ein Jahr (Schelepa et al. 2008 S. 62) – In einem Einzelfall werden 60 eintägige Beschäftigungsverhältnisse im Bezugsjahr genannt.

Für wen gilt das Bühnenarbeitsrechtsgesetz?
Aufgrund der genannten Zahlen stellt sich die Frage – für wen wird das künftige Bühnenarbeitsrechtsgesetz de jure und faktisch gelten?
Die IG Freie Theaterarbeit hat den Prozess der Novellierung des Schauspielergesetzes ausdrücklich begrüßt aufgrund der Perspektive auf eine reale Veränderung der Beschäftigungsverhältnisse in Richtung hin zu mehr Anstellungen.
Im Verlauf der Verhandlungen wurde klar, dass dies ohne ein gleichzeitiges Umdenken in der Förderpolitik nicht realisiert werden kann.
Eine Veränderung respektive Verbesserung der Beschäftigungsverhältnisse lässt sich nur realisieren durch ein gleichzeitiges, grundlegendes Umdenken in der Förderpolitik, indem kostenwahre Anträge eingereicht und finanziert würden, die – auch in den Bundesländern – legale Arbeitsverhältnisse ermöglichen würden.
Dies bleibt eine aufrechte Forderung, der mit der jetzt vorliegenden Novellierung des Bühnenarbeitsrechtsgesetzes allein nicht Genüge getan werden kann.

Gleichzeitig hat der Prozess der Arbeit an der Novellierung des Bühnenarbeitsrechtsgesetzes aber auch zu einer Differenzierung und Veränderung der Position der IG Freie Theaterarbeit geführt:
Nach wie vor halten wir eine gleichzeitige, grundlegende Veränderung der Förderpolitik für eine Umsetzbarkeit der Gesetzesnovellierung für unumgänglich und wünschen, dass alle auf der Bühne in Österreich angestellt arbeiten.
Gleichzeitig jedoch gehen wir davon aus und erkennen an, dass im Freien Theaterbereich zum Teil Arbeitsverhältnisse vorliegen, die eine selbstständige Tätigkeit legitim erscheinen lassen. Nicht-hierarchische Strukturen und nicht hierarchisch getroffene Vereinbarungen, der mitschöpferische, kreative Anteil aller Mitwirkenden an der Produktion, die Einbringung eigener Betriebsmittel und das Fehlen von weisungsgebundenen Arbeitsverhältnissen sind Kriterien, die hierauf hinweisen.
Hier bedarf es jedoch einer deutlichen Verbesserung in der Klärung der Rechtssicherheit solcher Arbeitsverhältnisse, die so zur Hauptforderung der IG Freie Theaterarbeit innerhalb bzw. im Zusammenhang mit der Gesetzesnovellierung geworden ist.
Diese Rechtssicherheit konnte mit der Novellierung nur sehr bedingt verbessert werden und die bislang in den Erläuterungen aufgeführten Ergänzungen geben hierzu trotz Bemühen zu wenig juridisch eindeutige Hinweise, zeigen vielmehr die komplexe Ausgangslage und die Schwierigkeit von Entscheidungen auf.
Hier besteht zum einen juridischer Nachbesserungsbedarf bzw. Bedarf einer schärferen Klärung im Erläuterungsteil, bzw. eine Ergänzung durch eine erneute aktuelle Kommentierung mit entsprechenden Fallbeispielen.
Zum andren weisen wir darauf hin, dass die im Zusammenhang mit dem Künstlersozialversicherungsstrukturgesetz geplante Servicestelle bei der SVA hier nicht nur Beratungskompetenz, sondern dringend die Funktion einer (auch in juridischer Hinsicht gültigen) klärenden Instanz für künftige Bühnenarbeitsverhältnisse übernehmen können muss.

Ausschluss der FilmschauspielerInnen
Mit Bedauern haben wir zur Kenntnis genommen, dass in der jetzigen Novellierung des Schauspielergesetzes ein systematisches Einbeziehen der FilmschauspielerInnen konzeptionell nicht angedacht wurde, diese vielmehr kategorisch auch dadurch ausgeschlossen wurden, dass der neue Titel des Gesetzes als Bühnenarbeitsrechtsgesetz bestimmt werden soll.
Mit Verständnis dafür, dass die Entwicklung eines eigenständigen, neu zu entwickelnden Teils des Gesetzes für den Bereich Film im aktuellen Arbeitsprozess den Zeithorizont für die Integration in die Novellierung überanstrengt hätte, halten wir doch im Hinblick auf die grundlegenden Veränderung des Berufsbildes seit 1922, dem Jahr der Entstehung des Schauspielergesetzes, eine baldige Ergänzung des Gesetzes und Integration der FilmschauspielerInnen für unabdingbar, um die aktuelle Spannbreite der Berufsrealität von SchauspielerInnen abzubilden.
Die jetzige Exklusion darf nicht kategorisch bleiben, wir fordern umgehend die zeitgemäße konzeptionelle Auseinandersetzung mit der Veränderung des Berufsbildes Schauspiel und eine Integration der FilmschauspielerInnen in das Bühnenarbeitsrechtsgesetz, das dann auch erneut einen neuen Titel bräuchte.

Titel Bühnenarbeitsrechtsgesetz
a)Der Titel Bühnenarbeitsrechtgesetz schließt FilmschaupielerInnen kategorisch aus.
Da diese im Schritt der jetzigen Novellierung nicht integriert wurden, kann er toleriert werden – er enthält gegenüber dem ebenfalls diskutierten Begriff Schauspielgesetz eine Offenheit für die verschiedenen Berufe der Bühnentätigkeit – darf jedoch nicht Kriterium werden für eine Argumentation, die FilmschauspielerInnen auch künftig ausschließt.

b) Wir schlagen vor, den Begriff Bühnenarbeitsrechtsgesetz pragmatisch zu verkürzen auf Bühnenarbeitsgesetz – aus Sicht der Nichtjuristin erscheint ‚-rechtsgesetz’ zumindest sprachlich redundant.

Abschnitt 1/Geltungsbereich

§ 1.
Die IG Freie Theaterarbeit begrüßt ausdrücklich, dass das Bü-ARG unabhängig vom Ausmaß der Beschäftigung für alle Bühnentätigen zur Geltung kommen bzw. Anwendung finden soll und dass hier eine Adaption an die Teilzeitrichtlinie (RL97/81/EG) vollzogen wurde. Die diesbezüglichen Erläuterungen stellen diese Adaption hinreichend und klar dar.

Mit Verweis auf die allgemeinen Vorbemerkungen liegt die nach wie vor bestehende und durch die Novellierung leider nicht eindeutig und hinreichend gelöste Problematik des Bü-ARG in der Frage des Geltungsbereiches und der Frage, wer ein Theaterunternehmer ist und wer nicht, bzw. unter welchen Voraussetzungen das Bü-ARG nicht zur Anwendung kommt.
Wir begrüßen die Adaption des Unternehmerbegriffes an das UGB, doch führt auch das zu keiner hinreichenden Klärung. Die Problemlage wird unter anderem davon bestimmt, dass im aktuellen Unternehmensbegriff die gewerbliche Tätigkeit nicht notwendig durch eine Gewinnabsicht gekennzeichnet wird.

In die Erläuterungen sind dankenswerterweise Beschreibungen der Kriterien für ASVG Arbeitsverhältnisse ebenso aufgenommen worden wie Kriterien für das Vorliegen selbstständiger Arbeitsverhältnisse (Werkvertrag).

Von den nach § 1151 ABGB angeführten Kriterien für eine verpflichtende Arbeitsleistung für einen anderen gelten für den Bereich des Freien Theaters:
– Bedingt: die Einordnung in die Arbeitsorganisation (hinsichtlich Arbeitsort, Arbeitszeit, Arbeitsfolge); Proben und Aufführungen finden zu bestimmten Zeiten statt, wobei ein wichtiges und entscheidendes Abgrenzungskriterium ist, dass die Absprachen über die Vereinbarungen von Probenzeiten und Aufführungsterminen im Freien Theaterbereich in der Regel nicht hierarchisch angeordnet werden, sondern in gegenseitigem Einvernehmen der Beteiligten erfolgen.
– Bedingt: die Verpflichtung zur persönlichen Arbeitsleistung (Doppelbesetzungen bzw. die Option auf Substitution finden jedoch auch statt)
– Bedingt: die Bereitstellung der Arbeitsmittel durch den/die ArbeitgeberIn.
Hier besteht im Freien Theaterbereich eine große Variationsbreite von Absprachen über das Einbringen von eigenen Betriebsmitteln.

Nicht zutreffend sind hingegen in der Regel die Kriterien:
– Gebundenheit an persönliche Weisungen
– Kontrollunterworfenheit
– Disziplinäre Verantwortung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin

Die IG Freie Theaterarbeit begrüßt die explizite Aufnahme der Passage in die Erläuterungen, nach der ein wesentliches Merkmal der Unterscheidung zwischen Dienstvertrag und Werkvertrag das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit ist. Diese ist für die Zusammenarbeitsformen Freier Theatergruppen in der Regel auszuschließen.

Für die Selbstständigkeit der Arbeitsformen im Freien Theaterbereich sprechen die Kriterien:
– Bedingt respektive fallweise (s.o) : das Recht bei der Leitung auch andere einzusetzen
– Keine Fremdbestimmung in Bezug auf Ort und Zeit durch die einvernehmliche Absprache gemeinsamer Termine
– Kein diesbezügliches Weisungsrecht
– Keine Einordnung in die Arbeitsorganisation eines anderen
– Bedingt bzw. fallweise(s.o): das Arbeiten mit eigenen Mitteln.

Die im Weiteren angeführten Urteile entstammen jedoch der Arbeitsrealität von großen Bühnen und können nicht beispielhaft auf den Freien Theaterbereich übertragen werden.
Insbesondere die Darstellung und Bewertung der Vereinsstruktur im Erläuterungsteil führt bedauerlicherweise zu keiner weiterführenden Klärung.
Zwar wird festgehalten, Vereine sind als solche nicht Unternehmer qua Rechtsform.
Da jedoch auch für Unternehmen/Unternehmer keine Gewinnabsicht erforderlich ist, können grundsätzlich auch Vereine, die am regulären Markt Leistungen oder Waren gegen Entgeld anbieten, Unternehmen i.S.d. UGB sein.

Erzähl es deinen Freund:innen