Kommentar der IG Freie Theater zur „Studie zur Sozialen Lage der Kunstschaffenden und Kunst- und Kulturvermittler_innen in Österreich“ 2018

Zehn Jahre nach der letzten Studie „Zur sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen in Österreich“ (2008) wurde deren Update (noch von BM Thomas Drozda in Auftrag gegeben) auf der Seite des BKA / Kunst- und Kultursektion veröffentlicht.

Die Ergebnisse sind – leider – erwartbar. Für die Künstler_inenn und Kulturvermittler_innen in Österreich hat sich nicht viel verbessert, die sozialen Absicherungen sind nicht ausreichend, die Armutsgefährdung überproportional hoch (41 % der Darstellenden Künstler_innen); trotz akademischer Ausbildung kann kaum das eigene (Über)leben geschweige denn das einer Familie gesichert werden (die Hälfte aller Künstler_innen lebt als Single). In der Darstellenden Kunst besonders betroffen sind wiederum Frauen.

Unsichere Einkommensperspektiven, prekäre (also kurzfristige und diskontinuierliche Arbeitsverhältnisse) und mangelnde soziale Absicherung prägen weiterhin die Arbeitsrealität professioneller österreichischer Künstler_innen. Beinahe alle Künstler_innen leben nicht ausschließlich von ihrer Kunst: Viele arbeiten spartenübergreifend und in einer Kombination aus kunstnaher und kunstferner Tätigkeit (70 % der Befragten) – in Ergänzung zur unstabilen Einkommenssituation aus künstlerischen Tätigkeiten.
Diese Tätigkeitskombinationen führen vor allem bei Darstellenden Künstler_innen zu komplexen sozialversicherungsrechtlichen Situationen, die Gefahr von teilweiser Nichtversicherung innerhalb der Sozialversicherung ist deutlich erhöht.

In Österreich sind ca. 20.000 Akteur_innen der Darstellenden Kunst professionell in der Freien Szene aktiv, davon weit über die Hälfte Frauen. Erhebungen besagen auch, dass die Gesamtbesucher_innenanzahl der Freien Szene denen der Stadt-, Landes- und Bundestheater entspricht – die Freie Szene aber nur ca. 10 % aller Fördermittel erhält. Ein weiterer Ansporn, diesen Akteur_innen, die die künstlerische Avantgarde darstellen und die ästhetischen Impulse setzen, endlich adäquate Lebensbedingungen zu ermöglichen:

  • Wie brauchen Versicherungssysteme, die für die Freien Darstellenden Künstler_innen greifen.
    Sprich: Flexibel und schnell sind, um den unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen zu entsprechen und die Arbeitsrealitäten der Freien Szene spiegelt – und eine längerfristige Absicherung (auch in der Pension) ermöglichen.
  • Wir brauchen flexiblere Förderstrukturen.
    Sprich: Arbeitsstipendien und Möglichkeiten zur künstlerischen Forschung müssen berücksichtigt werden; Honoraruntergrenzen müssen Beachtung finden, eine Förderung durch die öffentliche Hand darf nicht zur Selbstausbeutung werden. Erprobte Sozialversicherungssysteme anderer Länder sollen beispielgebend sein – durch die europäische Vernetzung der IGFT stehen konkrete Informationen bereit.

  • Wir brauchen eine Anpassung der Fördermittel.
    Sprich: Die Budgets der öffentlichen Hand müssen den künstlerischen, sozialen und rechtlichen Anforderungen angepasst werden und den realen Kosten der Produktionen entsprechen.
  • Wir brauchen einen schnellen und breiten Zugang zu Drittmitteln.
    Sprich: Private Mittel müssen für die Kunst und Kultur zugänglich gemacht werden. Die Regierung ist aufgefordert, hier entsprechende Anreize und Formen zu schaffen, damit rasch Mittel zur Verfügung stehen (konkret fehlt es in Österreich an Stiftungen, die breite Förderungen für Kunst, Kunstprogramme und künstlerische Forschung aufbringen).
  • Wir brauchen eine zeitgemäße Aus- und Weiterbildung.
    Sprich: Künstlerische Ausbildungen müssen u. a. fundiertes rechtliches, finanztechnisches und steuerliches Know-How vermitteln. Künstlerische Forschung muss auch unabhängig von Universitäten möglich sein.
  • Wir brauchen Infrastrukturen, die den Arbeitsbedingungen der Akteur_innen entsprechen und ihnen Sichtbarkeit und künstlerische Entwicklung garantieren.

IG Netz: Das IG Netz wurde im Jahr 1991 von der IG Freie Theaterarbeit eingerichtet, um freien Gruppen im Bereich der darstellenden Kunst die Zahlung ihrer Sozialversicherungsbeiträge durch Zuschüsse finanziell zu erleichtern. Es wird von der IG Freie Theaterarbeit verwaltet und aus Mitteln der Kunstsektion des Bundeskanzleramtes finanziert.

Zur Zeit wird verhandelt, das IG Netz durch Mittel aus den Bundesländern zu erhöhen. In Kombination mit der Ausweitung des Fördervolumens für professionelle freie Projekte der Darstellenden Kunst Stadt-, Landes- und Bundesebene bedeutet dies einen wichtigen Schritt zur sozialen und finanziellen Absicherung der freien Szene in ganz Österreich.

 

Kontakt und weitere Informationen:
IG Freie Theaterarbeit
+43 1 403 87 94 12
office@freietheater.at
Gumpendorferstraße 63B
A – 1060 Wien

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