Hohe Bühnenkunst zu prekären Konditionen

Presseinformation der IGFT, 20.11.2008

Studie zur sozialen Lage der KünstlerInnen – Dramatische Ergebnisse im darstellenden Bereich

Die Ergebnisse der vom bm:ukk in Auftrag gegebenen Studie zur sozialen Lage der KünstlerInnen zeigen einen dringenden spezifischen Handlungsbedarf im Bereich der darstellenden Künste:

Dem Abbau und Verlust sozialer und arbeitsrechtlicher Rahmenbedingungen für darstellende KünstlerInnen ist weder auf politischer Ebene noch auf Förderebene entgegengearbeitet worden: Die Zweiklassenförderung für das Theater führt zum Abbau von Anstellungsverhältnissen und arbeitsrechtlichen Errungenschaften und zum Verlust kontinuierlicher Arbeit von Ensembles und ihrer Strukturen.

In der Sparte der Darstellenden Kunst haben 88,9 % der RespondentInnen eine künstlerische Ausbildung (höchste Rate) und der Kernbereich derjenigen, die sowohl ihren ideellen als auch finanziellen Schwerpunkt in der künstlerischen Tätigkeit verorten, ist mit 57,2 % ebenfalls am höchsten. 30 % der darstellenden KünstlerInnen sind ausschließlich künstlerisch tätig, alle anderen arbeiten zusätzlich im kunstnahen oder kunstfernen Bereich.

Erosion von Anstellungsverhältnissen

Die Studie zeigt im Bereich des Theaters deutlich eine Zweiklassensituation auf. Während 42 % der RespondentInnen noch angestellt arbeiten kann (in den großen Häusern) bzw. Beschäftigungsverhältnisse von bis zu über einem Jahr anführen, weisen 11 % tageweise Beschäftigungen, 8,9 % wochenweise Beschäftigungen und 10,7 % Beschäftigungen unter einem Monat auf. 24,4 % sind über einen Zeitraum von einem bis drei Monaten, 13 % von drei bis sechs Monaten und weitere 13 % bis zu einem Jahr beschäftigt.

87, 8 % der Sparte haben Auftragsarbeiten (also selbstständige Tätigkeiten) durchgeführt – insgesamt durchschnittlich 12 verschiedene pro Jahr.
40 % der selbstständigen Arbeiten von darstellenden KünstlerInnen dauerten im Referenzjahr nur einen Tag, 31 % bis zu einer Woche, 28 % bis zu einem Monat, 45 % ein bis drei Monate , 16,1 % der Auftragsarbeiten haben einen Umfang von drei bis sechs Monaten, 10,2 % bis zu zwölf Monaten und 6,7 % länger als ein Jahr. In einem Einzelfall werden 60 eintägige Beschäftigungsverhältnisse im Bezugsjahr genannt.
Verkürzt bedeutet das eine Arbeitsrealität strukturell sehr kurzfristig wechselnder, komplexer Beschäftigungs- und Versicherungsverhältnisse und eine Erosion der sozialen Sicherheiten.

18 % der darstellenden KünstlerInnen haben keine durchgehende Krankenversicherung – und 37 % weisen Lücken in der Pensionsversicherung auf; 6,7 % haben gar keine Pensionsversicherung.
Noch dramatischer wird es in Bezug auf die Arbeitslosigkeit: 75 % der RespondentInnen in der darstellenden Kunst haben keine Integration ins ALVG, also kein Anrecht auf Arbeitslosengeld.

Das ist die traurige Arbeitsrealität für darstellende KünsterInnen in Österreich, für die das geltende Schauspielergesetz eigentlich eine Anstellung vorschreibt.

Das durchschnittliche Nettojahreseinkommen aus künstlerischer Tätigkeit liegt für darstellende KünstlerInnen bei 8.000 Euro, das durchschnittliche Gesamteinkommen bei ca. 12.000 Euro. Diese Werte beruhen darauf, dass die in den großen Instititionen angestellten KünstlerInnen stabile Einkommensverhältnisse haben. Für die Mehrheit der Theaterschaffenden – insbesondere im freien darstellenden Bereich – liegen in Wirklichkeit signifikant geringere Einkommensmargen vor.

Forderungen der IG Freie Theaterarbeit:

Schluss mit Schuldzuweisungen an die KünstlerInnen: die Probleme sind strukturell!

Statt der wachsenden Kriminalisierung von Arbeitsverhältnissen im Bereich der darstellenden Kunst müssen endlich politische Lösungen gefunden werden!

Es besteht dringender politischer Handlungsbedarf!

Transparenz und Kooperation
• Einrichtung eines interministeriellen ExpertInnengremiums unter konzeptioneller Beteiligung der Interessengemeinschaften

Förderungen
• Grundlegendes Umdenken in der Förderpolitik: weg von der Zweiklassenförderung. Förderstrukturen müssen legale Arbeitsverhältnisse ermöglichen – auch im freien darstellenden Bereich
• Systematische Erschließung von Touring und Mobilität in Österreich einschließlich einer signifikanten Bereitstellung von Mitteln
• Strukturelle Öffnung von großen Institutionen für freies Theater (Fensterformate)

Schauspielergesetz
• Einhaltung und Aktualisierung des Schauspielergesetzes statt Erosion und systematischer Umgehung

AMS
• Schaffung einer eigenen permanenten, bundesweit zugänglichen AMS- Organisationseinheit mit FachreferentInnen für die Kunstsparten
• Politische Diskussion der starren AMS-Zuverdienstgrenze

ALVG
• KünstlerInnen müssen mitgedacht und nicht ausgeschlossen werden: Novelle der ALVG Novelle

Versicherung
• Zusammenführung der komplexen Versicherungsverhältnisse: Versicherung von angestellten und selbständigen Tätigkeiten unter einem Dach muss möglich sein

KSVF
• KünstlerInnen dürfen nicht BettelkünstlerInnen bleiben: Grundlegende Überarbeitung der KSVF Novelle

IG Freie Theaterarbeit
Rückfragehinweise:
IG Freie Theaterarbeit
01/403 87 94

Studie zum Download auf den Seiten des bm:ukk: www.bmukk.gv.at/kunst/bm/studi…

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