Heißer Herbst 2020

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Pressemitteilung IG Freie Theater 16.9.2020

Die Ampel schaltet auf orange …

Die freischaffenden Künstler*innen erwartet ein heißer, unsicherer Herbst 2020 und ein noch viel unsichereres Jahr 2021. Zwar arbeiten derzeit viele Künstler*innen wieder und auch aus den diversen Fonds ist – nach etlichen Nachbesserungen – zumindest Geld für eine Basisabsicherung zu erhalten. Auch die Einführung von Arbeitsstipendien in etlichen Bundesländern ist eine begrüßenswerte Entwicklung, welche endlich auch die reale Arbeitssituation der darstellenden Künstler*innen finanziell abbildet und ihnen zumindest teilweise den Produktionsdruck nimmt.
Dennoch bleiben etliche Fragen und Baustellen offen, die die Absicherung der Künstler*innen – über 2020 hinaus – zum Gegenstand haben.

Die IG Freie Theaterarbeit hat von Jänner bis Ende August 2.041 Menschen beraten – zirka doppelt so viele wie im gesamten Vorjahr. Corona-bedingte Anfragen gab es v. a. zu den Themen Vertragsauflösungen, Beschäftigungsverhältnisse, Arbeitsrecht und Absicherung. Deutlich wurde auch die unterschiedliche Rechtsmeinung von Veranstalter*innen und Künstler*innen, die (noch) nicht ausjudiziert ist und die dringend einer Klärung – etwa in Form von Musterprozessen – bedarf.

Die Folgen der prekären Beschäftigungsverhältnisse in der freien Szene wurden überdeutlich sichtbar. Vor allem wurde klar, dass nach wie vor in der freien Szene viele Menschen in die Selbstständigkeit gedrängt werden, ohne dass sie dies eigentlich wollen. Und arbeits- und sozialversicherungsrechtlich dort auch nicht sein sollen.
Oft sind sich die Künstler*innen nicht über die Konsequenzen ihrer selbständigen Tätigkeit bewusst. In Hinblick auf die kommenden Herausforderungen sehen wir folgende Punkte als dringend an und fordern die Verantwortlichen auf, entsprechende Handlungen zu setzen.

Konkrete Instrumente der Krisenabsicherung
Die existierenden Fördertöpfe verlängern und die Zugangskriterien künstler*innenfreundlich abstimmen. Einnahmen aus künstlerischer Arbeit müssen – bis zu einer bestimmten Höhe – ergänzend möglich sein. Bislang sind Zuwendungen aus Fördertöpfen mit max. € 1.000 pro Monat gedeckelt, liegen also unterhalb der Armutsgrenze von € 1.286.
Zusatzkosten für Sicherheitskonzepte und Tests im Rahmen der Covid 19 – Eindämmung sollen zusätzlich gefördert werden, ebenso wie es eine Zusatzfinanzierung für technische Adaptierungen (Lüftungen, räumliche Anpassungen) geben muss.
In Förderverträgen den Krisenfall definieren und so formulieren, dass (Gast)Künstler*innen im Fall einer Absage ihr Entgelt aus den geschlossenene Verträgen erhalten (Abschlagszahlungen zu 100% oder zumindest nach Kurzarbeitsmodell ermöglichen).
Kompensations-Topf für Einnahmenausfälle – die Kompensation muss auf alle Fälle bei den Künstler*innen ankommen (z.B. bei Vereinbarung einer Einnahmenteilung) und unabhängig von der Beschäftigungsform der Künstler*in greifen.
Bei Verschiebung: Wiederaufnahmeförderungen für entstehende Zusatzkosten (bei Verschiebung aufgrund Höherer Gewalt oder Seuchen) einrichten.
Förderung für mobile Projekte: gesondertes Förderprogramm für Projekte im öffentlichen Raum.

Reform der Vertrags- und Abrechnungsformen
Verträge müssen entsprechend realer Beschäftigungsverhätnisse, also entsprechend geltender arbeitsrechtlicher Richtlinien ausgestaltet werden.
Arbeitsrecht muss für alle gleich gelten – egal ob an Theatern fest angestellt oder als Gast / Gästin beschäftigt.
Die branchenbezogene Wiedereinführung der täglichen Geringfügigkeitsgrenze bei tageweiser Beschäftigung ermöglicht eine durchgehende Versicherungsleistung für Künstler*innen und Kunst- und Kulturschaffende.
Bei mehreren Arbeitstagen pro Monat sind durchgehende Anstellungen (und keine tageweise geringfügige Beschäftigung) anzustreben.
Verträge müssen eingehalten werden, umso mehr wenn für Projekte öffentliche Gelder eingesetzt werden (Stichwort: Musterverträge).
Fördernehmer*innen wenden einen „Fair Practice Code“ an, der (zumindest) Faire Bezahlung – Faire Strukturen – Transparenz – Kommunikation mit Künstler*innen (auch in der Krise) – Gender-Equality beinhaltet. Dieses Beispiel aus den Niederlanden hat sich bereits international bewährt.
Die Umsetzung dieser Forderungen bedarf eines entsprechenden Budgets – Anstellungen sind teurer als Werkverträge, bewirken aber eine soziale Absicherung der Künstler*innen.
Wir appellieren an die Politiker*innen, dieses Budget ab 2021 den Künstler*innen zur Verfügung zu stellen und ihnen damit nicht nur ihre Arbeit, sondern vor allem ihre Zukunft lebbar zu machen.

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