Pressemitteilung IG Freie Theater, 24.3.2020
Die Unsicherheiten für die freischaffenden Künstler*innen sind derzeit groß. Sie sehen sich mit realen Einkommensausfällen konfrontiert, mit unsicheren Engagements in absehbarer Zukunft, mit dem Entfall von Koproduktionsgeldern, Einnahmen aus künstlerischen Nebentätigkeiten – und noch vielem mehr.
Die IG Freie Theater vertritt die freischaffenden darstellenden Künstler*innen – also Schauspieler*innen, Tänzer*innen, Choreograf*innen, Regisseur*innen, aber auch Kunstschaffende wie Produktionsleitungen, Assistenzen, Kulturvermittlung und andere Menschen, die in den künstlerischen Teams mitarbeiten.
Die Ankündigung der Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler von heute (24.3.2020) sowie die Beteuerungen der Staatssekretärin Ulrike Lunacek von letzter Woche, dass bereits bewilligte Förderungen für die gesamte Produktion abgerechnet werden können, auch wenn die Produktionen nicht wie eingereicht stattfinden, wird die Situation sicherlich erleichtern – für den Bereich, welcher überwiegend öffentlich gefördert wird. Und auch hier obliegt es wiederum den einzelnen Theatern / den Veranstalter*innen, wie und wie schnell er die getroffenen Vereinbarungen mit den Künstler*innen jetzt umsetzt und Honorare und Gagen auszahlt. Wobei eine Verschiebung der Vorstellungen auf einen späteren Zeitpunkt derzeit trotzdem und ersatzlos zu einem Einkommensausfall führt.
Besonders dramatisch ist es für Künstler*innen und Kunstschaffende, die ohne jegliche Förderung operieren. Hier werden Vorleistungen und bereits bezahlte Probenhonorare nicht abgedeckt. Wir hoffen hierbei sehr auf die Zugänglichkeiten der bereits etablierten Hilfsfonds wie dem KSVF-Unterstützungsfonds (für Künstler*innen) oder dem neu etablierten Härtefallfonds (für Vereine, Neue Selbstständige und EPUs etc.).
Am 19.3.2020 haben wir – zunächst unter unseren Mitgliedern – eine anonyme Umfrage zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf ihre persönliche Einkommenssituation gestartet. Der Rücklauf war überraschend groß, so dass wir nun erste Informationen vorlegen können.
- Der Zeitraum der Umfrage betraf die Zeit seit dem 10.3. und bis zum Ende des Erlasses (derzeit 13.4.2020) bzw. die Auswirkungen bis zum Ende der Spielzeit (Sommer 2020).
Dies sind für die darstellenden Künstler*innen die mit Abstand einkommensstärksten Monate.Erfahrungsgemäß erwirtschaften freischaffenden Künstler*innen an ca. 20 – 24 Wochen im Jahr Einnahmen, wovon ein Großteil in den Zeitraum zwischen März und August (Sommertheater-Saison) fällt. Die Angaben zu den Einnahmen sind als Brutto-Brutto-Einnahmen (also als Umsatz) zu verstehen, wovon sämtliche Steuern, Versicherungen etc. zu entrichten sind.
- Die meisten Angaben betrafen Produktionen, die in Wien hätten stattfinden sollen, gefolgt von Einnahmen aus NÖ, OÖ, aus internationaler künstlerischer Tätigkeit und den weiteren Bundesländern.
- Die Vorstellungen wurden zu einem überwiegenden Teil ohne Verschiebedatum (75%) und auf behördliche Anordnung (85%) abgesagt. Andere Gründe für eine Absage waren Solidarität und Rücksichtnahme auf die Zuseher*innen.
- Die meisten Informant*innen waren zwischen 26 – 35 Jahre alt; gefolgt von der Gruppe zwischen 36 – 45 Jahren und derer der 56 – 65-Jährigen.
Und: Die Hälfte der Antworten stammte von Frauen!
Sehr deutlich wurde, dass derzeit die psychische Belastung, also die Unsicherheit, wo, wie und wann es doch noch zur Auszahlung der vereinbarten Gagen und Honorare oder zu Hilfs- und Unterstützungszahlungen kommen kann, vorherrscht. Die Künstler*innen und Kunstschaffenden verfügen in der Regel nicht über Rücklagen, aus denen heraus sie ihre Liquidität der nächsten Monate sicher können.
Die Ergebnisse der Umfrage:
– Die Anzahl der tatsächlich abgesagten Vorstellungen (und der dadurch wegfallenden Gagen) wurde durchgehend als sehr hoch gemeldet; bis zu 145 Vorstellungen entfallen, sehr viele Angaben bewegen sich zwischen 20 und 85 abgesagte Vorstellungen.
– Die dadurch entfallenden Einnahmen werden pro Vorstellung zwischen € 75 und € 800 angegeben, die meisten Angaben lagen zwischen € 175 und € 350 pro Vorstellung.
– Unterrichtseinheiten entfallen: Die Angaben hier reichen von stunden- bis wochenweisem Entfall, die Einnahmen hieraus werden mit € 40 pro Stunde und € 900 pro Woche angegeben. Insgesamt wurden für den Zeitraum der Entfall aus Einnahmen aus Unterrichtstätigkeit vergleichsweise hoch angegeben und für 4 Monate mit zwischen € 1.000 und € 6.000 beziffert.
– Es wurden Produktionen abgesagt, woraus sich für die Künstler*innen und Kunstschaffenden Einnahmen pro Produktion / Monat zwischen € 1.600 und € 6.400 (Bruttoumsatz) Verlust ergibt. Die meisten Angaben bewegten sich hier zwischen € 2.000 – 3.300 Bruttoumsatz pro Monat.
– Vorleistungen wie Reisekosten, Produktionskosten, bereits bezahlte Honorare werden mit bis zu € 6.800 angegeben, laufende Kosten wie Studiomieten können derzeit nicht über Einnahmen aus Weitervermietungen gedeckt werden.
– Projektvorbereitungs- und Antragskosten werden über Projektförderungen sehr oft nicht gedeckt, derzeit wird dieser Umstand eklatant deutlich: Künstler*innen und Kunstschaffende arbeiten in diesem Zeitraum zu einem Großteil unentgeltlich.
– An bezahlten Probewochen verlieren die Künstler*innen und Kunstschaffenden größtenteils zwischen 3 und 12 Wochen.
Wir werden die Umfrage über den größeren Kreis unserer Newsletter-Bezieher*innen ausdehnen und erwarten uns hier noch weitere Auskünfte, über die wir gerne weiter informieren.
Eines wird jetzt aber deutlich:
Wir regen dringend an, die Förderformen zu reformieren und die Projektförderungen in die Förderung von künstlerischen Arbeitsprozessen zu überführen – mit einer Mindestlaufzeit von 6 Monaten. Damit wird es möglich, die Beteiligten anzustellen, und (entsprechend der Anrechnungszeiten) würden diese dadurch Anwartschaftszeiten für einen Bezug von Arbeitslosengeld erwerben. Die Künstler*innen und Kunstschaffenden sind damit mehrfach sozial abgesichert und erhalten krisenfestere Beschäftigungsformen, die außerdem langfristig wirken (Pensionsversicherungszeiten).
Wir werden mit den Kulturpolitiker*innen und Fördergeber*innen in einen intensiven Austausch treten und gemeinsam neue Förderformen diskutieren. Wir freuen uns auf diesen Austausch und werden den bereits avisierten Weg einer fairen Bezahlung der Künstler*innen um den Aspekt der fairen Beschäftigungsform erweitern.