Wer?
An jedem 6. Juli kommen Künstler und Künstlerinnen aller Arten und
Disziplinen aus den Galerien, Konzertsälen, Ateliers, Theatern, Tanzstudios,
Schreibstuben, Musiklokalen, Tonstudios usw. auf Straßen, Parks und Plätze
und setzen einen Tag (der Kunst im öffentlichen Raum) lang hör- und
sichtbare Marken.
Warum?
Am 6. Juli 1965 (vor 57 Jahren) hat der heute international geachtete und
mit hohen Auszeichnungen geehrte Performance- und bildende Künstler und
Autor Günter Brus (84) zum „Wiener Stadtspaziergang“ angesetzt und ist weiß
eingefärbt über die Gassen und Plätze der Wiener Hofburg spaziert. Ohne dass
er jemanden angegriffen, beleidigt, provoziert oder behindert hätte. Nach
wenigen Minuten war er von der Polizei angehalten und letzten Endes
empfindlich bestraft worden. Die Fotos von dieser Aktion werden seit einiger
Zeit in der Tourismus-Werbung eingesetzt, um der Welt die
Aufgeschlossenheit, Kunstfreundlichkeit und das liberale Klima der
Walzerstadt zu zeigen.
Wozu?
Tatsächlich hat sich (zumindest) in Wien vieles zum Besseren verändert.
Kunstausübende und ihre Performance werden in der Regel in der
Öffentlichkeit „toleriert“. Das ist aber nicht in Gesetzen festgeschrieben,
sondern hängt von den jeweils herrschenden Koalitionen, Stimmungen oder
Wahlkampf-Feindbildern ab.
Der BRUS DAY soll einmal im Jahr österreichweit daran erinnern, dass
Kunst-Freiheit (seit genau 40 Jahren in Österreichs Verfassung!) im
Allgemeinen und im Besonderen im öffentlichen Raum keine
Selbstverständlichkeit ist!
Weshalb?
In einer Branche, in der die wenigsten von ihrer Arbeit leben können, wo
sich alle in der Situation befinden, gegen den Markt und somit auch gegen
ihre Konkurrenz zu arbeiten, ist die kollegiale Solidarität ein rares Gut,
zumindest in arger Gefahr. Künstler und Künstlerinnen können nicht streiken.
Wo Kunstinteressierte und -Ausübende vom Bundeskanzler als „Kulturverliebte“
verspottet werden, ist sichtbarer Auftritt in der Öffentlichkeit ein
wichtiges Signal! Und Belebung der Orte.
Wo?
Die Kunstbetriebe können ihre Künstler und Künstlerinnen (und beider
Geschäftsinteressen) unterstützen, indem Galerien Bildenden vor ihren
Lokalen ein Podium bieten, sie mit Licht und Ton aus dem Lokal unterstützen.
Schallplattenläden, soweit es die noch gibt, Musikinstrumentenhandlungen
gleiches mit Musikern und Musikerinnen. Buchhandlungen stellen Autoren
und/oder Autorinnen Pult, Sitzgelegenheit und möglichst Tonanlage vor das
Geschäft, damit diese wirksam aus ihren Texten lesen können. Sucht bitte
möglichst frequentierte Plätze für eure Performances aus! In romantischen
Parks, womöglich hinter Sträuchern, verfehlt ihr die Wirkung! Bedenkt, dass
der Tag länger als zehn Minuten ist!
Wann?
Natürlich (heuer) am Mittwoch, 6. Juli! Denkt bitte daran, dass der
günstigste Zeitraum, in dem im Öffentlichen Raum Performances stattfinden
sollten, zwischen 10.00 und 18.00 ist. Es liegt aber bei den Ausübenden, in
welchem Zeitrahmen sie agieren möchten. Bitte verteilt eure Auftritte über
den Tag!
Wie?
Das erfolgreiche Konzept des Brus Day ist weiterhin: Es gibt keinen
Veranstalter, keine Organisation, keine Auftraggeber. Kunstschaffende treten
an öffentlichen Plätzen, Gassen und Parks nach der Art der Flashmobs auf.
Kurz, lang und/oder wiederholt. Musiker und Musikerinnen sind aufgefordert,
hörbar zu intervenieren! Autoren und Autorinnen, wo auch immer, aus ihren
Texten zu lesen und ihre Bücher anzubieten! Tänzer und Tänzerinnen,
Schauspieler und Schauspielerinnen, Artisten und Artistinnen auf
öffentlichen Plätzen zu performen. Bildende sollten ihre Staffeleien
aufstellen, ausstellen, malen, zeichnen, portraitieren, modellieren und
verkaufen. Fotografen und Fotografinnen sollten den Tag, an dem sich die
Kunst ihren Raum zurückerobert hat, dokumentieren. Usw. Das alles in der
Öffentlichkeit. Ohne Gnadengesuch, ohne Behördenschikane, ohne Anmeldung,
ohne Gebühren-Zahlung – spontan. Nach Art der Flashmobs!
Es hat sich gezeigt, dass ein Schild, Plakat oder ähnliches, das den
Vorbeigehenden erklärt, warum hier Kunst in der Öffentlichkeit passiert,
hilfreich wäre.
Wer uns rechtzeitig darüber informiert, wo, wann und was geplant ist, so
geben wir das wieder an die Medien weiter, damit angekündigt und darüber
berichtet werden kann!
Was noch?
Wenn gewünscht, können teilnehmende Künstler und Künstlerinnen kostenlos
das 200-Seiten-Skriptum „KUNST SOLL STADT FINDEN, Kunst im öffentlichen
Raum“ aus der Serie „ALLE GESETZE, DIE DIE KUNST BETREFFEN – LEICHT
VERSTÄNDLICH“ als Hilfestellung per Mail erhalten: brus.day@chello.at
Erich Félix Mautner
Für das IODE
IODE, DAS INSTITUT OHNE DIREKTE EIGENSCHAFTEN: Das IODE ist (nach einer
Idee Robert Sommers) eine inhomogene Zusammenkunft von kreativen,
künstlerisch engagierten, politisch denkenden Menschen, die sich
hauptsächlich im Perinetkeller in Wien treffen. Robert Sommer war der
Gründer und jahrzehntelange Chefredakteur der Straßenzeitung „Augustin“, bis
er in Pension ging und lange die kreative Kraft des IODE. Hier ist auch die
internationale Kampagne über den Nazi-Hintergrund des „Zweigelt“ entstanden,
hier wurde die historische Aufarbeitung der Geschichte der Gruppe der Wiener
Aktionisten aufgezeichnet und hier wurde „Überleben ist machbar!“ zum
bedingungslosen Grundeinkommen für Kunstschaffende gestartet.
DER PERINETKELLER: Der legendäre wiener Perinetkeller ist jenes Atelier, in
dem die Gruppe der „Wiener Aktionisten“ (Günter Brus, Otto Mühl+, Hermann
Nitsch+, Rudolf Schwarzkogler+), von der Einmauerung 1962 (Adolf Frohner+,
Otto Mühl+, Hermann Nitsch+, Manifest „Die Blutorgel“) bis zu den
Happenings/Performances und ihren Dokumentationen (Kurt Kren+, Ludwig
Hoffenreich, …) gegründet wurde.
Erich Félix Mautner ist Journalist und Autor unter verschiedenen
Pseudonymen, mit 16 bei der Arbeiter-Zeitung eingetreten, hauptsächlich zu
Kunstthemen. 1965 Herausgabe der ersten Dokumentation der Gruppe der Wiener
Aktionisten. 1967 und 1968 (JUNGER FILM '68 - Die zweite Maraisiade) hatte
er das erste Amateur- bzw. Avantgarde-Filmfestival – mit mehr als je 100
Filmen und in drei Sälen – in Österreich veranstaltet und finanziert, das
hieß damals noch Jungfilmer-Festival. Dort wurde z.B. Peter Weibels
legendäres „Tap- und Tastkino“ erstaufgeführt. 50 Jahre lang hat er eine
Künstler- und Veranstaltungsagentur betrieben, kennt also den Kunstbetrieb
und die Nöte der Kunstschaffenden von vielen Seiten. Einige Jahre hat er an
der Wiener Kunstschule Vorlesungen zu Kunst und Recht gehalten, bis diese
per Subventionsentzug abgedreht worden ist. Usw. Er hat eigentlich sein
ganzes Berufsleben Material zu den Themen „Kunst und Recht“ gesammelt und
später zu einem umfangreichen „Buch“ verarbeitet: „ALLE GESETZE, DIE DIE
KUNST BETREFFEN – LEICHT VERSTÄNDLICH“. Die Manuskripte sind fertig und
sollen nun in Druck. Und gleichzeitig gibt es ein tausende Dokumente
umfassendes Archiv zu diesen Themen.
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