PRESSEAUSSENDUNG
IG Freie Theaterarbeit, 13.06.2023
Wien, 13.6.2023 – Seit Jahren wird intensiv über das professionelle Tanztraining in Wien diskutiert. Vertreter:innen der Tanzszene haben die Problematik wiederholt erläutert, Lösungsvorschläge formuliert und in verschiedenen Foren diskutiert. Die IGFT hat im März 2023 eine kurze Umfrage gestartet, um ein Meinungsbild aus der Szene einzuholen, auf die 97 Personen geantwortet haben. Trotz aller Bemühungen gibt es nach wie vor kein verlässliches Angebot für täglich stattfindendes professionelles Techniktraining für Tänzer:innen in Wien. Der Tanzstandort Wien kann v.a. im internationalen Vergleich nicht mithalten.
Durchwegs wird in den Antworten der große Bedarf an zentralen, günstigen und professionellen Trainingsmöglichkeiten deutlich. Damit der hohe künstlerische und technische Standard der professionellen Tänzer:innen bedient werden kann, ist es unverzichtbar, dass es für diesen Berufsstand ausreichend Möglichkeiten gibt, sich fit zu halten und Tanztechniken zu trainieren, aufzubauen und zu verfeinern.
Es gibt mehrere Initiativen in Wien, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, genau das anzubieten, darunter Initiative Tanz und Bewegungskunst Österreich (ITBOE) und BACKPULVER_Feedback Training, deren Angebote von den Umfrageteilnehmer:innen lobend erwähnt wurden. Dennoch wird klar, dass diese Angebote derzeit nicht ausreichen bzw. aufgrund fehlender oder gekürzter Förderungen eingeschränkt werden mussten/müssen. Die andauernde Suche nach einer Lösung für die Trainingssituation hat bereits viele engagierte Tänzer:innen zermürbt. Derzeitige selbstorganisierte Trainingseinheiten erfolgen aufgrund viel unbezahlter Arbeit – eine Situation, die auf Dauer nicht funktionieren kann.
Unvermeidbar ist es, in diesem Zusammenhang über die Trainingseinstellung bzw. -kürzung am Tanzquartier Wien zu sprechen. Ein Großteil der Antworten bezieht sich explizit auf das TQW und äußert sich sehr kritisch über die dortigen Angebote. Es ist festzuhalten, dass sich in der Umfrage keine der Fragen implizit oder explizit auf das TQW bezogen haben, sondern die Teilnerhmer:innen von sich aus auf die Situation dort hingewiesen haben.
Die IGFT hat am 12.06.2023 einen Brief an Stadträtin für Kultur und Wissenschaft, Veronica Kaup-Hasler, verfasst (auch da die Stadt Wien Eigentümerin des TQW ist), um die Ergebnisse der Umfrage und die daraus abgeleiteten Vorschläge zu übermitteln. Der künstlerischen Leitung des TQW, Bettina Kogler, wurden die Ergebnisse ebenfalls zugesendet.
Im internationalen Vergleich öffnet sich in Wien also eine Leerstelle, denn in anderen europäischen Städten haben sich seit Jahren professionelle Trainingsangebote etabliert, die der Tanzszene ein vielfältiges technisches Programm mit mehreren Klassen pro Tag und auf hohem Niveau anbieten. Wien kann mit der derzeitigen Situation nicht mithalten.
Konkrete Vorschläge sind daher:
- Studie: „Wien als Stadt für Tänzer:innen und Performer:innen“
Unbedingt benötigt wird eine umfassende Studie (qualitative und quantitative Erhebungen) zum Bedarf und Angebot von Trainings- und Weiterbildungsmaßnahmen für Tänzer:innen und Performer:innen in Wien.
- Eine dauerhafte Finanzierung (mind. zwei Jahre) der strukturellen Technik-Trainingsangebote von der Initiative Tanz und Bewegungskunst Österreich (ITBOE) und BACKPULVER_Feedback Training, unabhängig von den Entscheidungen des Kuratoriums der Stadt Wien. Beides sind Förderungen für Strukturmaßnahmen und nicht für künstlerische Projekte. Projekteinreichungen bei der Stadt Wien wurden mehrfach mit dieser Begründung abgelehnt.
- Die Stadt Wien soll umgehend einen gesonderten Topf für Strukturförderungen einsetzen, der u.a. Trainingsorte und Studios, aber auch Festivals und Strukturanliegen, die aus der Szene heraus entstehen, fördern wird.
- Betreffend TQW fordern wir die Einsetzung und Finanzierung einer Arbeitsgruppe zur Definition der Anforderungen und Leistungen des Tanzquartier Wien, v.a. bezüglich der anstehenden Ausschreibung einer nächsten Künstlerischen Leitung und somit Trainingsleitung. Die Ergebnisse werden vor der Neuausschreibung der Stadt Wien zur Verfügung gestellt und sollen in die Formulierung des Anforderungsprofils einfließen.
- Btr. der Ergebnisse der Proberaumsituation und der Forderung nach einem Arbeits- und Probehaus haben wir gebeten, diese in den laufenden Prozess der Wiener Kulturentwicklungsstrategie 2030 zu integrieren und zu berücksichtigen.
Diese Forderungen wurden auch von Vertreter:innen der Initiative für Tanz und Bewegungskunst Österreich (ITBOE), der Wiener Perspektive Training&Education Group sowie BACKPULVER_Feedback Training unterzeichnet.
Wir möchten einen Vergleich aus dem Sport heranziehen: Union Wien West, der österreichische Handballmeister, beendet nächstes Jahr den Spielbetrieb bei den Herren, da es keine brauchbare Halle für Spiele und Training gibt. Junge Top-Talente gehen nach Linz, Schwaz und Hard.
Es wurde für Herbst 2023 die Finanzierung einer Choreographic Platform Austria angekündigt. Künstlerisch hochwertige und international anerkannte Produktionen aus Österreich können aber nur realisiert und im internationalen Kontext gezeigt werden, wenn die Tänzer:innen / Performer:innen auf ein professionelles und vor allem technisch hochwertiges Trainingsangebot zurückgreifen können.
Egal ob Kunst oder Sport: Die Weltstadt Wien hat bezüglich Infrastruktur mehr als Aufholbedarf.
Umfrageergebnisse
Umfragebericht auf Englisch / Survey report in English
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Die IG Freie Theaterarbeit ist die Interessengemeinschaft für die freie darstellende Szene Österreichs, wurde 1988 gegründet und ist Mitglied im Kulturrat Österreich. Seit 2018 ist sie Gründungsmitglied und Sitz des Europäischen Dachverbands der freien darstellenden Künste (EAIPA) mit Mitgliedern in derzeit 16 Ländern.
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