IG Freie Theaterarbeit, 12. Juni 2025
257 Teilnehmer:innen gaben an, Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben. 19,1 % des Jahreseinkommens aller an der Umfrage Teilnehmenden ergab sich aus Leistungen aus Arbeitslosengeld und Notstandshilfe. Einkommen aus künstlerischen Tätigkeiten hatten einen Prozentanteil von 56,1 %; 22,3 % des Jahreseinkommens aller an der Umfrage Teilnehmenden kamen aus nicht-künstlerischen Tätigkeiten. 2,5 % kamen aus anderen sozialen Leistungen.
166 Personen gaben an, die Zeit zwischen zwei Engagements oder Aufträgen u.a. mit ihrem Ersparten zu überbrücken, 132 hatten zumindest einen Nebenjob, 216 waren fallweise beim AMS. Bei dieser Frage waren Mehrfachantworten möglich.
Ein Szenario, in welchem sowohl Arbeitslosengeld bezogen wird als auch das Ersparte aufgebraucht werden muss und ein Nebenjob zum Erhalt des Lebensstandards beiträgt, ist hier möglich.
Eine weitere Frage zielte konkret auf Zuverdienstarten im Fall von AMS-Bezug ab.
11 Teilnehmende gaben an, bereits eine durchgehende geringfügige Anstellung zu haben. 25, sich im Fall von AMS-Bezug gegebenenfalls eine zu suchen. 61 verfügten sowohl über eine geringfügige Anstellung und waren nebenher unter der Geringfügigkeitsgrenze selbstständig tätig.
144 Personen gaben an, nebenher unter der Geringfügigkeitsgrenze selbstständig zu sein. 20 gaben an, keinen parallelen Zuverdienst zu haben. Es gab außerdem die Möglichkeit, andere Angaben zu machen. 15 Personen nutzten diese Option, ohne aber eine Begründung zu nennen. Bei dieser Frage waren Mehrfachantworten möglich.
In den persönlichen Schilderungen finden sich Angaben zur Höhe des Bezugs von Arbeitslosengeld wieder. Eine Person spricht von „AMS-Bezüge[n] nicht wesentlich über der Geringfügigkeit“, eine andere nennt Zahlen: „Das bedeutet für mich, das[s sic] ich mit 600 Euro anstatt mit knappen 1100 Euro pro Monat auskommen muss.“
Auffallend ist, dass viele Künstler:innen keinen Antrag auf bedarfsorientierte Sozialhilfe stellen, um niedrigen AMS-Bezug zu kompensieren, sondern ihr Einkommen durch geringfügigen Zuverdienst aufstocken. Die Gründe dafür wurden hier nicht erfragt.
Aus den Schilderungen wird ersichtlich, dass der Wegfall des Zuverdienstes bei AMS-Bezug vor allem eines wäre: existenzbedrohend.
Nach einer Auswertung der Schilderungen wurden mehrere Gründe genannt:
- Beschäftigungsverhältnisse, die Künstler:innen eingehen, um genug Einkommen zu erhalten, sind sehr komplex. Die meisten sind breit aufgestellt, arbeiten in hybriden Beschäftigungsverhältnissen, auch spartenübergreifend und gehen weiteren kunstnahen Tätigkeiten nach. Sie arbeiten fallweise und projektbezogen, sowohl angestellt als auch selbstständig. Kunstferner Nebenerwerb ist eine weitere Strategie, um das Fortführen der künstlerischen Arbeit gewährleisten zu können. Aus den Berichten wurde ersichtlich, dass die Künstler:innen somit vor der Wahl stehen, sich entweder für den Bezug von AMS-Geld oder aber ihre künstlerischen und kunstnahen und -fernen Nebentätigkeiten zu entscheiden.
- Um an Arbeit zu gelangen, bedarf es einer beständigen Vernetzung mit potentiellen
Arbeitgeber:innen. Auch über Nebentätigkeiten gelangen Künstler:innen an Folgeengagements. Fielen diese weg, wäre die Sichtbarkeit in der Branche weiter eingeschränkt. - Fehlende Finanzierung für Weiterbildungen und Training. Um im hochkompetativen Berufsumfeld mithalten zu können, bedarf es konstantem Training von Stimme und Körper. Die Kosten hierfür müssen oft privat übernommen werden, sind aber eine notwendige zusätzliche Ausgabe bei ohnehin geringem Einkommen.
- Verzicht von Engagements aufgrund tageweiser Anstellungen: Einzelne Vorstellungen, so die übliche Praxis an Theatern, werden als tageweise Anstellungen unter der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt.
Ein mögliches Szenario ist wie folgt: Die Schauspielerin A. wird für ein Stück an einem Theater engagiert. Während der sechswöchigen Probenphase wird sie für eine Probenpauschale angestellt. Für die Vorstellungen erhält sie pro Vorstellung einen Betrag x unter der Geringfügigkeitsgrenze. Sie wird für jede Vorstellung tageweise angestellt. Weitere Nebenjobs hat sie in dieser Zeit nicht. In Monaten mit mehreren Vorstellungen kann sie einen Antrag auf Beitragsvorausszahlung bei der ÖGK stellen und ist somit über den ganzen Monat kranken- und pensionsversichert. Nun wurde in zwei aufeinanderfolgenden Monaten aber pro Monat nur eine Vorstellung disponiert. Weitere Jobs hat sie derzeit nicht. Sie muss sich nun entscheiden, ob sie zwei Monate von einem Verdienst unter der Geringfügigkeitsgrenze leben kann oder zugunsten des Bezugs von Arbeitslosengeld auf das Engagement verzichtet.
Der Wegfall von geringfügigem Zuverdienst bei AMS-Bezug hätte somit eine zunehmende Prekarisierung zur Folge. Dies führt unter anderem zur Aufgabe der künstlerischen Tätigkeit.
Statements der Teilnehmenden (Auswahl):
„Das wäre ein echtes Problem! Zum einen brechen mir dadurch als Arbeitgeberin potentielle Mitarbeiter*innen weg, zum anderen betrifft es mich selbst, wenn ich beim AMS bin und ja eh ein eher geringes Arbeitslosengeld bekomme, da mein Gehalt 1.700€ netto beträgt.“
„Als freischaffender Schauspieler hat man kein Fixengagement an einem Haus; man muss sich alle 3 Monate um ein neues Engagement kümmern. Dadurch können oft „Anstellungs-Löcher“ entstehen. In meinem Fall ist es essentiell währenddessen AMS-Bezug + mögliche Zusatzaufträge anzunehmen. Ohne Zuverdienstmöglichkeit sind die mtl. Kosten kaum tragbar und ich mache mich unattraktiv/nicht sichtbar am freien künstlerischen Markt, somit schade ich mir nachhaltig beruflich.“
„Es würde für mich einerseits bedeuten, dass ich gewisse Anstellungen nicht annehmen kann, da es für manche Kultureinrichtungen nur die Möglichkeit gibt auf diese Weise halbwegs angemessen zu bezahlen, wenn man einen Teil des Engagements auf geringfügiger Basis bewerkstelligt. Zudem würde es im Falle einzelner Vorstellungen im Monat bedeuten dass ich weniger Einkommen als Arbeitslosengeld bekomme, da dieses bei geringem Gehalt, also geringfügiger Anstellung wegfällt. Das heißt mehr Arbeitslosenzeit.
Ich könnte mir den eigentlichen Job nicht mehr leisten. Ich müsste aufhören Gastverträge am Theater anzunehmen!!!“
„Ich weiß nicht, wie ich das machen würde, wenn ich im Monat eine Vorstellung habe, oder einen Sprechjob und ich könnte dafür nur geringfügig angestellt sein. Je nachdem, wie es konkret geregelt wird, habe ich Angst, eher einen Job absagen zu müssen, als auf mein AMS-Geld zu verzichten. Und müsste ich mich dann auch selbst versichern für den Tag?“
„Ich könnte Engagements, bei denen ich nur 1 Vorstellung pro Monat habe nicht annehmen. Diese Nicht-Ensuite-Vorstellungen sind aber üblich in unserer Branche (wie z.B. auch am Burgtheater).“
„Ich würde es mir nicht mehr leisten können Schauspieler zu sein. Da es einfach manchmal längere Zeiten gibt, in denen ich auch auf das Arbeitslosengeld angewiesen bin und auch darauf angewiesen bin noch geringfügig dazu zu verdienen. Ansonsten kann ich mir meine Leben nicht leisten.“
„Wie soll man künstl. Jobs auf Honorarnoten-Basis dann verrechnen? Naja…weniger Geld zum Leben. Da macht man sich schon Gedanken bzgl. eines Jobwechsels.“
„Zwischen meinen Anstellungen reicht das Arbeitslosengeld nicht aus. Ich muss mir etwas dazu verdienen können, um nicht auf mein minimales Erspartes zurückgreifen zu müssen. Als Schauspielerin ist man zwar projektweise angestellt, muss auf dem Arbeitsmarkt aber agieren wie eine Selbstständige und „Aufträge an Land ziehen“. Online-Auftritt, Bewerbungen, Reisen etc. Mit einer Vollzeitanstellung ist dies nebenher nicht möglich und würde die Chance, weiter meinen Beruf ausüben zu können, verunmöglichen.“
„Existenzbedrohung“
„Zu wenig Geld um alle Fixkosten zu zahlen und trotzdem noch „normal“ durch den Monat zu kommen ohne dauernd ins Minus zu fallen.“
„Ziemlich blöd, da ich bei vielen künstlerischen Kleinprojekten nicht genug verdiene, um nicht weiter AMS-Geld zu beziehen, aber das AMS-Geld alleine reicht in dieser Zeit auch nicht. D.h. ich muss in Zukunft entweder künstlerische Projekte sein lassen, oder Beruf wechseln. Die Zeit ohne künstlerische Anstellung ist somit existenzgefährdend. Da ich z.B.. zwischen einem Sommerengagement und Probenbeginn im November dann einen Nebenjob brauche, der bereit ist mich für nur 2 Monate anzustellen.“
„Vergangenes Jahr habe ich AMS-Geld bezogen während ich auf der Suche nach künstlerischen Tätigkeiten war. Die künstlerischen Tätigkeiten die ich hatte, hätten alleine nicht gereicht, ich wollte sie aber unbedingt machen um mir Türen zu öffnen. Ich war also froh, dass es parallel möglich war.“
„Tätigkeiten wie Unterrichten, also den Nachwuchs auszubilden und Kleinkunst wären nicht mehr realisierbar. Kleine Stücke, die öfter politisch und gesellschaftskritischer sind, als „große“, subventionierte Stücke können nicht mehr gespielt werden.“
„Bei Wegfall eines selbsterarbeiteten Zuverdienstes finde ich, dass der psychische Aspekt komplett außen vorgelassen wird. Meiner Meinung nach sollte das AMS Künstler unterstützen, die in ihrem Bereich arbeiten wollen, unabhängig, ob geringfügig oder nicht, und nicht absolut abhängig machen. Für Künstler ist es schon schwierig genug sich mit dem AMS auseinanderzusetzen, da die meisten Bearbeiter keine Erfahrung im künstlerischen Bereich haben. Geringfügige Anstellung ist auch ein Job.“
„Man kann gegeben falls keinen Job annehmen, obwohl er eventuell für das Weiterkommen wichtig wäre“
„Leben am Minimum. Finanziell angewiesen sein auf meinen Partner.“
„Katastrophale Auswirkungen. AMS-Bezüge sind oft so niedrig gewesen, dass ich ohne Zuverdienst meinen Lebensunterhalt nicht hätte zahlen können. (Wohnung, Betriebskosten, Lebensmittel, also ausschließlich die notwendigsten Kosten)“
„Ich wüsste nicht wie ich meine laufenden Kosten decken sollte und wie ich künstlerisch selbstständig arbeiten könnte, da ich dann keine Aufträge mehr annehmen dürfte.“
„Ich würde meinen Uni-Lehrauftrag, durch den ich immer wieder aber unregelmäßig geringfügig dazuverdiene, verlieren.“
„Ich nutze meinen Zuverdienst, um eine Ausbildung oder Qualifizierung zu finanzieren, die mir langfristig bessere Chancen am Arbeitsmarkt ermöglichen soll. Wenn der Zuverdienst wegfällt, könnte ich mir diese Maßnahme nicht mehr leisten.“
„Ich müsste mich zwischen kleineren künstlerischen Jobs (von denen ich nicht leben kann) und AMS-Bezug entscheiden, und zwar aus existenziellen Gründen wahrscheinlich gegen die kleineren Jobs. Das würde mich künstlerisch sehr ausbremsen und hätte auch weniger größere Folgejobs als Konsequenz. Vor allem in den ersten Berufsjahren, in denen man sich ein Netzwerk erst aufbauen muss, sind kleinere künstlerische Jobs sehr wichtig, auch wenn sie den Lebensunterhalt noch nicht finanzieren können.“
„Ich muss im Monat so viel verdienen, dass es reicht. Wenn die Arbeitslose wegfällt, weil z.B. einfach nur einmal Tantiemen reinkommen oder man eine Lesung für 150 Euro macht, dann werden all die kleinen Dinge nicht mehr stattfinden. Es bedeutet das Ende des freien Künstlertums. Das politische Ziel, mehr Menschen in eine Anstellung zu bringen, greift bei Künstler:innen null, das es kaum Anstellungen in diesem Bereich gibt. Man zerstört somit eine freie Kulturlandschaft.“
„Ich bin immer wieder tageweise z.B. für den Rundfunk tätig und die werden (anders als Hörspielaufnahmen mit tageweiser Anmeldung) über Honorarnoten verrechnet. Das wäre dann wohl nicht mehr möglich.“
„Existenzbedrohend! Wie viele andere ist man als Arbeitslose gar nicht arbeitslos. Ich z.B. bin währenddessen weiterhin mit den Aufgaben meiner Arbeit als künstlerische Leitung beschäftigt. Außerdem gehe ich nur zum AMS, wenn die Auszahlung bewilligten Förderanträge Wochen dauert oder sich verzögert. Vorproben, Besprechungen, Textarbeit und und und finden in dieser Zeit außerdem statt und werden einfach zu einem späteren Zeitpunkt per Honorar vergütet.“
„Es wäre schrecklich, wie soll ich von so wenig AMS-Bezug über die Runden kommen? Ich arbeite seit vielen Jahren an guten Theatern oder drehe immer wieder. Dennoch ist mein AMS-Anspruch eher bescheiden und ohne geringfügigen Zuverdienst wäre es nicht machbar das Leben zu bestehen.“
„Es macht einfach überhaupt keinen Sinn, in keiner Beziehung!! Ich müsste Jobs absagen, wie zum Beispiel Moderationen, Coaching, Jobs als Sprecherin etc. Diese Nebentätigkeiten sind absolut unregelmäßig und Glücksfälle für mich. Keinesfalls (!) können sie das Arbeitslosengeld auch nur irgendwie ersetzen. Aber sie bringen mir eventuelle Folgeaufträge und ich kann einfach in meinem Beruf (weiter-) arbeiten, auch wenn es gerade kein fixes Engagement ist, das mein Grundeinkommen sichern würde!“
„Es ist jetzt schon schwer genug, sich finanziell über Wasser zu halten und ein „Durchschnittsgehalt“ aus mehreren Einkommensquellen zusammenzubasteln. Wenn der Zuverdienst wegfällt, verliere ich den Anschluss an meine Branche und die Hälfte meiner Existenzgrundlage!“
„Es bricht ein wichtiger Zweig weg, wenn nur die Mindestsicherung gegeben ist. Zusätzliche Arztkosten, Apotheke, Reparaturen, gänzlich jede Form von zusätzlich anfallenden kurzfristigen Kosten lassen sich schwerer ausgleichen und bezahlen.„
„Der Wegfall des Zuverdienstes als Möglichkeit des Einkommens im Krisenfall würde nicht nur mich, sondern auch meine Familie gefährden.“
„Dadurch kann ich meine durchgehenden freiberuflichen/Kleinverdiener-Nebentätigkeiten nicht weiter durchführen. Diese alleine reichen aber nicht aus, um einen ganzen Monat über die Runden zu kommen. Das Arbeitslosengeld alleine reicht aber auch nicht aus. um alle Fixkosten und Weiterbildungen (Gesangs- und Trainingsstunden) zu bezahlen, um neue Jobs zu bekommen.“
Die IG Freie Theaterarbeit ist die Interessengemeinschaft für die freie darstellende Szene Österreichs, wurde 1988 gegründet und ist Mitglied im Kulturrat Österreich. Seit 2018 ist sie Gründungsmitglied und Sitz des Europäischen Dachverbands der freien darstellenden Künste (EAIPA) mit derzeit 23 Mitgliedern in 18 Ländern. Die IGFT ist außerdem Mitglied bei IETM – International Network for Contemporary Performing Arts, bei der IG Theater Tanz Performance Kärnten Koroška und bei Culture Action Europe.
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