JAHRESRÜCKBLICK IG FREIE THEATERARBEIT 2020

  • von

Liebe IGFT-Mitglieder!

Es war nicht unspannend, dieses Jahr 2020, es hat uns alle vor große Herausforderungen gestellt und unser Tun, unsere Sicherheiten, unsere Pläne einfach so über den Haufen geworfen. Corona hat uns auf allen Ebenen getroffen. Es attackiert unsere Körper, die zu deren Schutz eingeführten Corona-Sicherheitsmaßnahmen bestimmen unser aller Leben. Wir müssen neu denken und neu definieren, was uns wichtig ist und wie wir sein, leben und arbeiten wollen. Die persönlichen Erfahrungen spiegeln sich im professionellen Arbeiten. Künstler*innen denken anders – Inhalte und Formate werden überprüft, neu gedacht, reformiert, neu ausgerichtet. Noch nie gab es dabei so viel Aufmerksamkeit für die Arbeits- und Rahmenbedingungen der freischaffenden Künstler*innen, sowohl von Seiten der Politik als auch der Medien – und dies lokal, national, europaweit und darüber hinaus. Wir finden offene Ohren und die Bereitschaft zur Veränderung, zur Reform. Das gesamte System wird durchleuchtet und es wird hoffentlich gelingen, bald bessere Bedingungen für die Arbeit der Künstler*innen zu schaffen. Neues Denken ist angesagt.

Noch nie hatte die IG Freie Theaterarbeit so viele Mitglieder: In den letzten drei Jahren stieg die Anzahl der Mitglieder um über 70%, aktuell verzeichnen wir ca. 1.770 Mitglieder – davon 74 % Frauen. Wir erkennen dies als einen Auftrag, den wir in unserer täglichen Arbeit immer berücksichtigen und in allen kulturpolitischen Verhandlungen anführen.

Für 2021 bleibt der Mitgliedsbeitrag wieder bei € 35.
Achtung: Um Ressourcen zu schonen, verschicken auch heuer KEINE ERLAGSSCHEINE. Bitte überweist einfach auf unser Konto:

Inhaber: IG Freie Theaterarbeit
IBAN: AT32 1490 0220 1000 2897

Was gibt’s für euren Mitgliedsbeitrag? Persönliche Beratungen und Informationen, Teilnahme an allen Info-Veranstaltungen, ermäßigter Eintritt zu mehr als 88 Theatern und Festivals, viermal jährlich die gift – zeitschrift für freies theater, uvm. Der Beitrag ist aber vor allem auch eine solidarische Unterstützung unserer kulturpolitischen Arbeit und hilft uns, eure Belange im großen Format zu unterstützen.

INFORMATION UND BERATUNG

Wir haben über 3.200 Beratungen durchgeführt – mehr als eineinhalb so viele wie im letzten Jahr. 2.270 davon nahmen Frauen wahr, 930 Männer.
In 2.147 ausführlichen telefonischen und Zoom-Beratungen, mit 1.050 Teilnehmer*innen an 41 Info-Veranstaltungen und in 180 persönlichen Einzelgesprächen haben wir eure Fragen beantwortet und gemeinsam Lösungen gesucht. 
Seit März bieten wir auch Online-Infoveranstaltungen an. Da uns dadurch auch die Künstler*innen aus den Bundesländern „näherrücken“ und teilnehmen konnten, möchten wir dieses Format unbedingt beibehalten und werden unser Angebot dementsprechend erweitern. Wir schätzen den laufenden Austausch sehr und sind immer interessiert an den Erfahrungen und Berichten aus den Bundesländern.
Und wir haben unsere Online-Tools ausgebaut und freuen uns sehr, dass so viele unsere Infos auf der Website abrufen und uns über Facebook und Instagram folgen.

POLITIK

Es ist uns ein großes Anliegen, das Thema der „Fairness“ im gesamten Theater- und Veranstaltungsbetrieb zu konkretisieren. Dies beinhaltet nicht nur Fair Pay, sondern auch Fair Play. Es geht um Kommunikation, und sehr konkret um Beschäftigungsarten und Vertragsgestaltungen. Die Corona-bedingten Absagen, Verschiebungen bzw. Auszahlungen oder Nicht-Auszahlungen der Verträge haben auf allen Seiten deutlich gemacht, dass es hier viel zu tun gibt. Aber wir haben es geschafft, eine breite Aufmerksamkeit btr. der Nöte und Rechtslagen von Künstler*innen zu erreichen und sind im ständigen, konstruktiven Austausch mit Kulturpolitiker*innen, mit sehr vielen Institutionen und Theatern in den meisten Bundesländern. Wir erwarten 2021 auf vielen Ebenen deutliche Fortschritte und Reformen; konkrete Prozesse sind aufgesetzt. Der von StS Andrea Mayer initiierte Fairness-Prozess – „Fair Forum“ ist ein wichtiges Instrument, bei dem die entsprechenden Themenfelder aufgerufen werden und an konkreten Verbesserungen gearbeitet wird – gemeinsam mit den Bundesländern, gemeinsam mit den IGs.

Seit Beginn 2020 gibt es in Wien eine Honoraruntergrenze für geförderte Projekte, sowie Ein- und Zweijahresförderungen. Dies ist ein wichtiger erster Schritt hin zu einer gerechten Fair Pay-Strategie, die 2021 weiter entwickelt wird. In Kärnten hat bereits eine Workshopreihe zum Thema „Honoraruntergrenze“ begonnen, der bis Sommer 2021 konkrete Ergebnisse zeigen soll.
Das Symposium „Freie Szene – Orte schaffen“, welches wir am 03./04.09.2020 in Kooperation mit den IGs in Wien und auf Initiative der Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler durchgeführt haben, hat die Notwendigkeit von niederschwelligen, frei zugänglichen, unkuratierten Arbeits- und Probeorten für die freie Szene deutlich gemacht. Es gibt auch schon sehr detaillierte Überlegungen, wie solche Orte aussehen und was diese leisten sollen; gemeinsam mit der Wiener Perspektive wurden Konzepte erarbeitet, die natürlich auch die Corona-Erfahrungen berücksichtigten und Anfang 2021 breiter öffentlich präsentiert und diskutiert werden.

Für 2021 haben wir übrigens auch wieder eine physische Bundesländertour geplant, deren wichtigste Themen genau diese sein sollen: Fairness, Honoraruntergrenzen, uvm. – Termine folgen!

Auch mit dem BMEIA ist uns eine Kooperation gelungen: Mit ACT OUT, dem Tour- und Residency-Förderprogramm sowie einer Vimeo-Plattform für digitale Mitschnitte haben wir Arbeits- und Auftrittsmöglichkeiten für Theater- und Tanz-/Performanceproduktionen international eröffnet. Die digitalen Angebote der freien Szene werden über die Vimeo-Plattform direkt mit den Kulturforen und Botschaften Österreichs in der ganzen Welt vernetzt – aus dem dort bereit gestellten Angebot werden z.B. Streaming-Vorführungen ausgewählt und realisiert.

IG NETZ

Die Zahl der Antragsteller*innen um Zuschüsse aus dem IG Netz steigt ständig, was heißt, dass mehr und mehr Organisationen ihre Künstler*innen anstellen. Dies ist ein sehr erfreulicher Trend, dessen Ausbau wir gerne fördern möchten. Es ist 2020 gelungen, die Bundesländer Wien, Vorarlberg, Tirol, Steiermark, Oberösterreich und Burgenland zu überzeugen, mit in den IG-Netz-Topf einzuzahlen. Das hat bewirkt, dass die Antragsberechtigten in diesen Bundesländern die maximale Zuschusshöhe von € 200 pro Monat/Person erhalten haben. Der Bund/BMKÖS hat außerdem sein finanzielles Engagement von € 300.000 auf € 500.000 aufgestockt und sorgt in den mitfinanzierenden Bundesländern für Fördergerechtigkeit – das heißt, dass aus Bundesmitteln Ausgleichszahlungen bis zur vollen Förderhöhe von € 200 aufgebracht werden, sollten die Mittel aus den Bundesländern nicht ausreichen. Im Großen und Ganzen eine wirklich großartige Entwicklung: Endlich werden die Bundesmittel, die ja seit 1991 bereitstehen, um Mittel aus den Bundesländern verstärkt. Danke!

EUROPÄISCHER DACHVERBAND DER FREIEN DARSTELLENDEN KÜNSTE (EAIPA)

2018 konnten wir den Europäischen Dachverband der Freien Darstellenden Künste gründen und bei uns in Wien seinen Sitz (und seine Präsidentschaft) ansiedeln. Am 25. Oktober 2020 dieses Jahres fanden die Wahlen zum neuen Vorstand statt: Ulrike Kuner wurde als Präsidentin wiedergewählt. Unsere 17 Mitglieder kommen aus 15 Ländern: Österreich, Bulgarien, Deutschland, Finnland, Island, Italien, Rumänien, Slowenien, Spanien, Schweden, Schweiz, Slowakei, Tschechien, Ungarn und der Ukraine – und wir wachsen weiter.
Wir haben bereits viel Aufmerksamkeit erregt und wurden zu Konferenzen und Präsentationen eingeladen. Im Besonderen jedoch werden wir mit unserem Expert*innenwissen bereits bei der Europäischen Kommission gehört und sind Partner im neu formierten „European Theatre Meeting“ – ein regelmäßiges Arbeitstreffen der Theaternetzwerke und der Vertreter*innen der EU Kommission. In diesem Zusammenhang waren wir Konsortiums-Mitglied beim ersten „European Theatre Forum – European Performing Arts in focus“, einer großen Online-Konferenz, die von 11.-13.11.2020 stattfand. Wir haben v.a. die Themen ‚working conditions‘ und ‚social dimensions‘ in die Diskussion eingebracht und arbeiten konkret für eine stärkere Anerkennung der Freien Szene auf politischer und medialer Ebene. Dementsprechende Aufmerksamkeit von Seiten des Europäischen Parlaments gibt es jedenfalls bereits.

DANKE!

Vor allem in diesem uns alle äußerst herausfordernden Jahr 2020 möchten wir uns bei EUCH – unseren Mitgliedern – für eure Unterstützung und das Vertrauen, das uns entgegengebracht wird, bedanken. Uns hat sehr viel positives Feedback und konstruktive Vorschläge erreicht, über die wir uns sehr gefreut haben. Unser Team bemüht sich um ständige Recherche und Kommunikation der aktuellen und relevanten Informationen und Beratungen zu allen Herausforderungen und Stolpersteinen. Auch ein herzliches Danke für die finanziellen Beiträge, die nicht zuletzt einen wesentlichen Anteil zum Budget der IGFT beitragen. Und natürlich möchten wir uns auch bei den Fördergeber*innen für die Unterstützung unserer Jahrestätigkeit und für Projektzuschüsse besonders bedanken. Mit diesen Geldern gelang und gelingt es, unsere Arbeit für die Künstler*innen und Kulturschaffenden weiter auszugestalten und zu verbessern.
2020 waren dies:

  • Das BMKÖS – Bundesministerium für Kunst, Kultur, Öffentlichen Dienst und Sport – und dort v.a. Abteilungen Musik und Darstellende Kunst;
  • die Stadt Wien / Abteilung Kunst und Kultur;
  • die LSG / ÖSTIG – Österreichische Interpretengesellschaft
  • sowie das BMEIA – Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres.

Wir danken 2020 insbesondere auch den Redakteur*innen des Falter, DerStandard, ORF, Ö1, Salzburger Nachrichten und vielen mehr. Sie haben oft komplexe und sperrige Informationen in lesbare und verständliche Artikel und Beiträge übersetzt und interessieren sich für die Belange der Künstler*innen – nicht nur im Einzelfall, sondern auf systematischer Ebene. Außerdem unterstützen Sie uns sehr durch die mediale Aufmerksamkeit. Danke auch Ihnen!

Was kommt 2021? Fairness! Die bereits begonnenen Fair Pay und Fair Play-Prozesse müssen weiter diskutiert, ausformuliert und angewendet werden, um nachhaltige Veränderungen zu erreichen. Dabei stehen für die IGFT faire Arbeitverhältnisse im Vordergrund, die unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Alter, ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit, körperlicher Verfassung oder sozialer Schicht ermöglicht werden müssen.
Wir freuen uns auf ein herausforderndes 2021 und arbeiten kontinuierlich daran, noch mehr Akteur*innen zu überzeugen, Mitglied zu werden.

Vielen herzlichen Dank und einen guten Start ins neue Jahr wünschen

Ulrike Kuner / Geschäftsführung mit Vorstand und dem IGFTeam 

***
Die IG Freie Theaterarbeit wurde 1988 gegründet und ist Mitglied im Kulturrat Österreich. Seit 2018 ist sie Gründungsmitglied und Sitz des Europäischen Dachverbands der Freien Darstellenden Künste (EAIPA) mit Mitgliedern in derzeit 15 Ländern.

Kontakt für Nachfragen:
IG Freie Theaterarbeit
Geschäftsführung: Ulrike Kuner
E-mail: u.kuner@freietheater.at

Erzähl es deinen Freund:innen