In der Vertragskette ganz unten: Die Künstlerinnen und Künstler

Einnahmenausfälle der freien darstellenden Künstler*innen und Kunstschaffenden zeigen: Unsichere Produktions- und Beschäftigungsverhältnisse und Vertragsarten bieten wenig Schutz.

Die Auswertung der Umfrage “Auswirkungen der Corona-Krise auf freischaffende darstellende Künstler*innen und Kunstschaffende” und auch die Erfahrung der IG Freie Theater aufgrund der derzeit intensiven Beratungstätigkeit zeigt deutlich: Die starke Abhängigkeit der Künstler*innen von Auftraggeber*innen wie Theater, Festivals, Spartenhäuser sowie instabile Fördermodelle bringen überproportional hohe soziale Unsicherheit.

Ulrike Kuner, Geschäftsführung der IG Freie Theater: „Nach drei Wochen intensiver Arbeit – wir hatten mehr als doppelt so viele Einzelberatungen wie im Vergleichszeitraum des letzten Jahres – betreffs der  Auswirkungen der Covid 19-Eindämmung auf die freien darstellenden Künstler*innen zeigt sich, dass große Unsicherheit unter den Künstler*innen und Kunstschaffenden herrscht – und wenig finanzielle Reserven vorhanden sind. Wir merken sehr deutlich, dass die Abhängigkeit der einzelnen Künstler*innen sowie der Gruppen und Ensembles von den Theatern und Häusern überaus hoch ist. Deshalb ist es wichtig, dass sehr bald geklärt wird, welche Gagen und Produktionsgelder noch ausbezahlt werden, und dass die eingerichteten Hilfefonds schnell greifen. Für die freien Gruppen und Ensembles brauchen wir alternative Fördermodelle, die ihnen nicht nur die künstlerische, sondern auch finanzielle Gestaltungsfreiheit ermöglichen, um krisenfester agieren zu können. Und: Die Krise betrifft mehr Frauen als Männer!“.

Sara Ostertag, Obfrau der IG Freie Theater: „Momente wie dieser – die so noch niemand von uns erlebt hat – erfordern große Kreativität und Solidarität. In der Szene ist gerade beides spürbar – jedoch ist auch das immense Gefälle innerhalb der unterschiedlichen Fördersituationen so fassbar wie noch nie. Prekäre Verhältnisse in der Kunst und Kultur waren immer schon anwesend und auf eine Art gebilligt – jedoch merken wir jetzt, dass das Fehlen jeglicher Absicherung vieler freier Kunstschaffender so krass wie noch nie zum Tragen kommt. Diese Situation muss genutzt werden, um zu hinterfragen, wie Kultur in Zukunft gestützt werden soll und was für Arbeitsverhältnisse nachhaltig und tragbar sind. Der Aufruf an viele Geschäftsführungen großer Institutionen, wirtschaftlich zu agieren, darf in Zukunft nicht bedeuten, Künstler*innen 100fach die Gagen zu streichen. Denn das hat nichts mit nachhaltiger Kulturproduktion für eine nachhaltige und resiliente Gesellschaft zu tun!

Bezugnehmend auf unsere Umfrage finden sich vorwiegend Angaben zu zwei Beschäftigungsformen:

·       Frei arbeitende Darsteller*innen und Kunstschaffende, die abhängig von Gastspielauftritten und tageweisen Beschäftigungen bzw. Engagement für einzelne Produktionen (wochen- oder monateweise) arbeiten.

·       Frei arbeitende Gruppen/Ensembles, die ihre Stücke selbst entwickeln. Sie sind damit nicht nur für den Inhalt, sondern auch für die gesamte Administration und Finanzierung verantwortlich. Koproduktions-/Kooperationshäuser bzw. Festivals zahlen Gastspielgagen, kofinanzieren bzw. bringen Eigenleistungen ein, etwa den Veranstaltungsapparat – sprich das Haus, Ticketing, Technik, tw. Koproduktionsgelder, etc. Hierfür erhalten diese Häuser (oft) Subventionen. Das gesamte Risiko liegt jedoch bei den einzelnen Gruppen/Ensembles.

An unserer Umfrage nahmen 325 Einzelpersonen teil. 118 von ihnen waren Schauspieler*in, 44 Tänzer/Performer*in, 11 Artist*innen, 114 waren den künstlerischen Teams zuzuordnen (also Produktionsleiter*innen, Ausstatter*innen, Licht-/Tondesigner*innen, Assistent*innen, Theater- und Tanzpädagoginnen etc.). 37 Angaben kamen von Gruppen/Ensembles.
Der Zeitraum der Umfrage betraf die Zeit seit dem 10.3.2020 und bis zum Ende des Erlasses (derzeit 13.4.2020) bzw. die Auswirkungen bis zum Ende der Spielzeit (Sommer 2020).
Dies sind für die darstellenden Künstler*innen die mit Abstand einkommensstärksten Monate.

·       Die größte Altersgruppe waren die 26 – 35-Jährigen (34,5%), gefolgt von den 36-45-Jährigen (30,5%). Von den 46-55-Jährigen nahmen 19,4% an der Umfrage teil, 56-65-Jährige waren zu 7.4.% vertreten, 18-25-Jährigen zu 3,4%. Und 66-75-Jährigen zu 0,9%. 4,3% machten keine Angaben über ihr Alter.
·       Sehr interessant auch die Geschlechteraufteilung: Weibliche Teilnehmerinnen waren zu 56,3% vertreten, männliche Teilnehmer mit 35,8%. 8,6% machten keine Angaben hierzu, 1,2 % ordneten sich unter divers ein.
–          Die Verteilung auf die Orte, an denen die Projekte hätten stattfinden sollen:
Mehrere Bundesländer (17,2%), Österreich und Ausland (18,2%), Ausland (6%).
Wien (26%), NÖ (8%), OÖ und Steiermark (je 5,2 %), Tirol (4,3%), Kärnten (3,1%), Salzburg (2,5%), Vorarlberg (0,9%) und Burgenland (0,3%).

Details zu unserer Umfrage:
·       Die meisten Betroffenen sind weiblich (über 50%) und sie sind zwischen 25 – 45 Jahre alt.
·       Die meisten Einnahmen erfolgen aufgrund von Gastspielen / kurzfristigen Engagements bei Veranstalter*innen / Theatern / Häusern.
·       Es herrscht große (Rechts)unsicherheit betreffs der Auszahlung der geplanten Auftritte und Gagen.
·       Aufgrund der geringen durchschnittlichen Gagenhöhe (€ 386 bzw. zwischen € 150 und € 400) gelingt es den Künstler*innen nicht, stabile Rücklagen zu bilden. Sie leben von Auftritt zu Auftritt, von Engagement zu Engagement.
·       Frei arbeitende Gruppen oder Ensembles verlieren ganze Produktionen, da sie weder proben noch aufführen können. Eine Verschiebung bedeutet immer einen Einnahmenausfall zum geplanten Zeitpunkt.
·       116 mal wurde berichtet, dass ganze Produktionen entfallen; das durchschnittliche Einkommen daraus hätte € 4.120 betragen.
·       Unterrichtseinheiten entfallen: Die Angaben dazu reichen von stunden- bis wochenweisem Entfall, die Einnahmen hieraus werden mit € 40 pro Stunde und € 900 pro Woche angegeben. Insgesamt wurden für den Zeitraum der Entfall aus Einnahmen aus Unterrichtstätigkeit vergleichsweise hoch angegeben und für 4 Monate mit zwischen € 1.000 und € 6.000 beziffert.
·       Die Verträge der Künstler*innen und Kunstschaffenden sind oft nicht zu deren Vorteil gestaltet.

Fazit:
Die Förder- und Vertragsmodelle, die den Künstler*innen zur Verfügung stehen, fokussieren zu stark auf die Ablieferung / Präsentation eines Projekts (sprich Vorstellungen). Krisenfester – und der Arbeit der Künstler*innen und Kunstschaffenden entsprechender – ist eine Förderung der künstlerischen Arbeit. Sprich: Förder- und Vertragsmodelle so gestalten, dass die Beteiligten längerfristig (mindestens 6 Monate), mit feirer Bezahlung und in korrekten Formen (Anstellungen) beschäftigt werden können. So erhalten auch sie Zugang zu den Leistungen der Sozialversicherung (AMS, Pension etc.), die den allermeisten Menschen in Österreich zugänglich sind.

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