FAIRträge – ein Appell zum Saisonstart der Theater und Veranstalter:innen

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22.9.2023

Empfehlungen und faire Kriterien für Vertragsgestaltungen der IG Freie Theaterarbeit an österreichische Theaterunternehmer:innen und Veranstalter:innen.

Unser Anliegen ist es, die Arbeitsbeziehungen zwischen Theatern / Veranstalter:innen und Künstler:innen fair zu gestalten, damit in einer sicheren und kooperativen und Atmosphäre gute Kunst entstehen kann.

Die aktuellen internationalen Studien zeigen es wieder – die Einkommenssituation für freischaffende bzw. hybrid beschäftigte Künstler:innen sind schwierig und liegen im Schnitt bei € 13.000 – € 22.000 Umsatz im Jahr. Es gibt weder kontinuierliche Beschäftigungen und Einnahmen noch durchgängige soziale Absicherungen – und doch wird die Anzahl der mit befristeten Verträgen beschäftigten Schauspieler:innen, Tänzer:innen, Sänger:innen, Regisseur:innen und Choreograf:innen immer größer.

Wir appellieren daher zum Saisonbeginn an Veranstalter:innen in ihrer Funktion als Dienstgebende und möchten ihre Fürsorgepflicht betonen. Wir regen an, Maßnahmen zum Schutz der Künstler:innen vorzusehen. Dies sind im Besonderen faire Verträge, faire Bezahlungen und korrekte Beschäftigungen, aber auch Antidiskriminierungsklauseln gehören dazu.

Mit dem Fairness Codex steht seit Mai 2022 ein Instrument zur Verfügung, welches auf Anregung der IG Freie Theaterarbeit gemeinsam mit dem BMKÖS und den Kulturabteilungen der Bundesländer erarbeitet wurde und gemeinsame Grundwerte für die Arbeit in Kunst und Kultur beschreibt: Respekt & Wertschätzung, Nachhaltigkeit, Vielfalt und Transparenz. Der Fairness Codex lädt ein, an die jeweilige Organisation angepasst eigenständige Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen.
Zum Fairness Codex – BMKÖS

  1. Faire Bezahlung

Wir empfehlen, bei der Bezahlung von Künstler:innen sich zumindest an den Honoraruntergrenzen für die freie Szene in Wien zu orientieren. Dies sind (DG-Brutto) mindestens € 174 pro 8 h Arbeitstag, € 204 ab dem 5. Arbeitsjahr, pro Vorstellung € 350 (ab der 3. Vorstellung € 200). Ein entsprechendes Kalkulationstool steht zur Verfügung.
Mehr Infos  zu den Honoraruntergrenzen hier.

Aber: Die Honoraruntergrenze ist eine Untergrenze – und nicht Fair Pay!
Das Fair Pay Level beträgt derzeit mindestens € 240 / 8 h Arbeitstag.

  1. Faire Ausschreibungen und Honorierung von professionellen Künstler:innen

Immer wieder zielen Ausschreibungen oder Castings auf professionelle Künstler:innen ab – um ihnen anschließend Komparserie-Honorare anzubieten. Professionelle Künstler:innen müssen aber entsprechend entlohnt werden. Faire Ausschreibungstexte, also klare Erwartungen bezüglich der Anforderungen, und faire Bezahlung sollten Standard sein.

  1. Faire Verträge und korrekte Beschäftigungen

Man kann sich die Beschäftigungsform nicht aussuchen.

  • Verträge laut TAG (Theaterarbeitsgesetz) und ABGB

Wir möchten deutlich darauf hinweisen, dass die Künstler:innen in individuellen Verträgen nicht schlechter gestellt sein dürfen, als dies im Gesetz geregelt ist. Und: Künstler:innen müssen von ihrem Einkommen nicht nur leben, sondern aktiv Vorsorge für den Krankheitsfall, für Zeiten ohne Einkommen, für die Pension und für sonstige Sozialleistungen treffen können.

Die Beschäftigungsform (also unselbständige Beschäftigung / Gastvertrag / Werkvertrag) muss dem Gesetz entsprechen. In den meisten Fällen liegt eine unselbständige Beschäftigung vor. Wir empfehlen daher, Vorbereitungs- und Probezeiten sowie die Spielzeiten der Produktionen in die Dauer der unselbständigen Beschäftigung zu integrieren (Beispiel: Ein befristeter Bühnendienstvertrag beginnt mit den ersten Proben bzw. Rollenlernen und endet mit der letzten Vorstellung. Zu den Arbeitszeiten zählen Textarbeit, Kritik, Maskenzeiten, Anproben, Foto- und Pressetermine etc.). Denn: Je länger die Beschäftigungsdauer und je höher die Tagesarbeitszeit ist, desto größer sind die individuellen SV-Beiträge und Leistungen.
Von tageweisen Beschäftigungen raten wir unbedingt ab, da die Künstler:innen ausschließlich an diesen Tagen versichert sind und keine wirksamen Zeiten und Beiträge für ihre Sozialversicherungen leisten können.

Absageklauseln dürfen ausschließlich dem gängigen Recht entsprechen. Risiken sollen nicht auf die einzelnen Künstler:innen abgewälzt werden, also z.B. Absagemöglichkeiten formuliert werden, weil ein Mitglied der Produktion krank wird, wegen schwachen Ticketverkaufs etc. 

  • Kein Missbrauch der Machtstrukturen bei Vertragsunterfertigung

Künstler:innen müssen über ihre Entlohnung und Vertragsdetails verhandeln können. Wir regen ein, entsprechende Strukturen einzuführen und selbstverständliche Anlauf- und Auskunftsmöglichkeiten für Vertragsangelegenheiten in allen Organisationen einzurichten – und die Künstler:innen über diese Kontakte aktiv zu informieren.

  • Frühzeitige Unterfertigung der Verträge

Für Künstler:innen ist es von großer Bedeutung, dass Verträge frühzeitig ausgehändigt und unterfertigt werden, um ein Engagement so sicher und eindeutig wie möglich zu vereinbaren. Ein Zurückhalten der (unterschriebenen) Verträge vonseiten der Institutionen – etwa um Produktionen kurzfristig absagen zu können – lehnen wir entschieden ab.

  • Kein einseitiger Rücktritt vom Vertrag

Es gelten das TAG und das ABGB. Individuelle Vereinbarungen dürfen die Künstler:innen nicht schlechter stellen, als es im TAG geregelt ist. Gleiches gilt für Werkvertragsnehmer:innen (§ 1168 ABGB).

Tritt der/die Auftraggeber:in einseitig vom Vertrag zurück, ist anhand des TAG oder ABGB zu klären, ob die Künstler.innen ggf. vollen Anspruch auf das vereinbarte Entgelt haben.

  • Keine einseitige Verschiebung der Projekte

Ein Anspruch auf eine einseitige Verschiebung des geplanten Vorhabens seitens des Theaterunternehmens ist weder beim Werkvertrag noch beim Dienstvertrag gegeben. Kommt es also zu einer einseitigen Verschiebung des Vorhabens, haben Künstler:innen gegebenenfalls vollen Anspruch auf das vereinbarte Entgelt (vlg. TAG und ABGB).

Abschlagszahlungen, die den Künstler:innen bei einer zukünftigen Realisierung wieder abgezogen werden, sind entschieden abzulehnen, da sie für die Künstler:innen einen Einkommensentfall zu einem späteren Zeitpunkt bedeuten.

  • Angemessenheit bei Konventionalstrafen

Etwaige Konventionalstrafen sind im § 22 TAG geregelt. Die Höhe der vereinbarten Konventionalstrafe sollte im Verhältnis zum erhaltenen Entgelt stehen und nicht unangemessen hoch sein.

  1. Antidiskriminierungsklausel

Wir empfehlen außerdem, in Verträge eine Antidiskriminierungsklausel entsprechend des Gleichbehandlungsgesetzes aufzunehmen und die Organisationen entsprechend vorzubereiten. Viele Theater in Deutschland haben sich bereits vorbereitet und bieten u.a. proaktiv Workshops und Anlaufmöglichkeiten an.

Hier finden Sie weiterführende Links:

Website zur Bekanntmachung der Anti-Rassismus-Klausel: https://www.antirassismusklausel.de/

Website mit der aktuellen Anti-Diskriminierungs-Musterklausel zum Download (auch im Anhang Version 3 von November 2021 für alle Vertragsarten im deutschen Theater): https://www.kanzlei-laaser.com/update-vertraege-anti-rassismus-anti-diskriminierungs-musterklausel/

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Für Rückfragen und Anliegen sind wir selbstverständlich gerne erreichbar.

Wir wünschen eine erfolgreiche und faire Spielzeit,

die IG Freie Theaterarbeit

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Die IG Freie Theaterarbeit wurde 1988 gegründet und ist Mitglied im Kulturrat Österreich. Seit 2018 ist sie Gründungsmitglied und Sitz des Europäischen Dachverbands der freien darstellenden Künste (EAIPA) mit Mitgliedern in derzeit 17 Ländern.

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