Offener Brief an Andreas Mailath-Pokorny Lieber Andi Mailath!

Rein zufällig les‘ ich im aktuellen Falter, dass die Stadt Wien die Evaluation der Theaterreform „mit der Szene und mit der IG Freie Theaterarbeit breit diskutiert“.

Wahr ist: ich habe im September 2010 per Mail an Sie und die Kollegen in der MA7 drei Szenarien für eine professionelle Evaluation vorgeschlagen, verbunden mit der Frage:

– Wie kann es gelingen, die anvisierten Ziele besser umzusetzen?

– Wo passieren Dinge, die nicht intendiert sind?

Wahr ist eine wachsende Prekarität der Arbeitsbedingungen an immer mehr Spielorten aufgrund stagnierender Projektförderung versus einer wachsenden Anzahl an Spielorten, wahr sind zu wenig Projektförderungen im Kinder- und Jugendtheaterbereich, wahr ist Interkulturalität als budgetäres Feigenblatt, auch nach der Wahl und nach dem Regierungsabkommen.

Keine Reaktion.

Im Oktober 2010 und Februar 2011 habe ich die Anfrage zum Evaluationsszenario wiederholt und spezifiziert nachgefragt zu Förderinstrumenten, Strukturmaßnahmen zur Verbesserung der Sichtbarkeit der Szene, Nachwuchs- und Generationenfrage, Theater für junges Publikum als Schnittstelle von Vermittlung und Bildung u.

Keine Reaktion.

Auch im Frühjahr, vor und nach dem Sommer 2011, habe ich nachgefragt, was denn nun aus dem Evaluationsszenario geworden ist und seit September warte ich bislang vergeblich auf ein Terminangebot von den Kollegen in der MA7 für ein Gespräch. Zwischendrin habe ich als Best Practice Beispiel den Bericht über die erfolgreiche dritte (!) Evaluation der Kulturszene in Graz an die Kollegen in der MA7 zur Ermutigung geschickt.

Keine Reaktion.

Wahr ist: bis heute hat niemand (!) in der MA7 über mögliche Parameter, Methoden oder Personen einer möglichen Evaluation mit mir geredet.

Wahr und erkennbar auch ohne Evaluation sind die budgetär diametral der Theaterreform entgegen gesetzten Entwicklungen des Faktischen:

Seit Beginn der Theaterreform sind laut Ihrer Aussage, lieber Herr Kulturstadtrat, 11 Millionen Euro mehr im ’Spiel‘.
Von dieser erstaunlichen Summe fließt jedoch seit Beginn der Reform KEIN EURO MEHR in direkte Produktions-/Projekt-/Produktivmittel, sprich in die Arbeit der Theaterschaffenden, sondern: 11 Millionen mehr landen in alten und neuen Strukturen, in denen zu äußerst prekären Bedingungen gearbeitet wird – ja, das ist leider wahr.

Schade eigentlich, das hat doch wirklich niemand so gewollt.

Eventuell doch eine Evaluation?

Zugegeben: es kann schmerzhaft sein, sich in die Karten gucken zu lassen, aber so ein Moment von externer Reflexion der eigenen Parameter, wär das nicht was

Das gibt’s nämlich wirklich und: wahr isses auch!

Wien, 15.11.2011

Sabine Kock
IG Freie Theaterarbeit

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