Kulturelle Vielfalt statt FremdenUNrecht!

Kulturrat Österreich, 21.04.2011
Offener Brief an Unterrichtsministerin Claudia Schmied

Unterzeichnet von Verbänden, Vereinen, Institutionen und Gruppen der Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden.

Sehr geehrte Frau Ministerin!

Seit 2006 ist Österreich Signatarstaat des „UNESCO-Übereinkommens über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen“. Seither sind jedoch keine legistischen oder praktischen Verbesserungen unternommen worden, um den mit der Unterzeichnung des UNESCO-Übereinkommens eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen. Eine der wesentlichen Verpflichtungen ist die Förderung des internationalen Kulturaustausches durch Erleichterung der Mobilität von KünstlerInnen, Kulturschaffenden und anderen im Kulturbereich Tätigen – insbesondere durch präferentielle Behandlung von KünstlerInnen aus den Ländern des globalen Südens (Artikel 16 des Übereinkommens).

Stattdessen wurde ganz im Gegenteil im selben Jahr die Niederlassungsbewilligung für KünstlerInnen abgeschafft, und diverse Verschärfungen der Gesetzeslage in Kombination mit einer zunehmend rigiden Durchführungspraxis verhindern zusätzlich Mobilität. Für Personen ohne EU/EWR-Pass wird es zunehmend schwieriger bis unmöglich, überhaupt nach Österreich einzureisen bzw. den restriktiven Aufenthaltsbestimmungen vor Ort nachkommen zu können. Von Förderung der kulturellen Vielfalt also keine Spur!

In Kürze soll erneut ein FremdenUNrechtspaket beschlossen werden. Dessen geplante Inhalte bedeuten eine faktische Ausweitung der Schubhaft und fordern Deutschkenntnisse als Aufenthaltsvoraussetzung auf einem Niveau, das ein großer Teil der österreichischen Bevölkerung selbst nicht erfüllen könnte (erinnern wir uns an die Ergebnisse der letzten Pisa Studie…). Die geplanten Gesetzesverschärfungen haben bereits zu einem österreichweiten Protest der Zivilgesellschaft und diverser Kultur- und Bildungseinrichtungen geführt. Maßnahmen im Sinne des UNESCO-Übereinkommens sind in den geplanten Novellen keine zu finden – weder im fremdenrechtlichen noch im beschäftigungsrechtlichen Bereich. Hingegen haben Sie sich persönlich im vergangenen Juni bei der Präsentation der Ergebnisse der interministeriellen Arbeitsgruppen deutlich zur UNESCO-Konvention bekannt und versichert, alles in Ihrer Macht Stehende zu tun, um als Minimalziel Erleichterungen für KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen und Studierende zu erwirken.

Nichts davon ist eingetreten. Und auch Sie haben der Regierungsvorlage zu diesem Gesetzespaket zugestimmt.

Die bereits erwähnte interministerielle Arbeitsgruppe beschäftigt sich in Ihrem Ministerium seit zwei Jahren mit Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Lage der KünstlerInnen – auch der Abbau von Mobilitätsbarrieren für Kunstschaffende aus sogenannten Drittstaaten steht auf ihrer Agenda. Seit einem Jahr liegt hierzu ein umfassender Forderungskatalog vor. Das bm:ukk schreibt in einer Stellungnahme zum FremdenUNrechtspaket: „Auch die im Juni 2009 durchgeführte Konferenz „Prekäre Perspektiven? Zur sozialen Lage von Kreativen“ hat im Themenbereich der Mobilität von Künstlerinnen und Künstlern als einem der wesentlichen Faktoren für die Entwicklung von Kreativität, Innovation, Rollenbild und nicht zuletzt Berufsperspektive gewisse Barrieren zur Erreichung des Ziels einer Internationalisierung und der europäischen Werte bzw. Ansprüche an kultureller Vielfalt, Diversity und Interkulturalität aufgezeigt.“

Wer Begriffe wie kulturelle Vielfalt, Diversität und Interkulturalität in eine Praxis überführen will, muss dafür Sorge tragen, dass die Voraussetzungen für ein gleichberechtigtes Arbeiten der Beteiligten geschaffen werden. Eine Zustimmung zum aktuellen FremdenUNrechtspaket bewirkt das Gegenteil.

Wir erinnern Sie hiermit an die für alle Ministerien verpflichtende UNESCO-Konvention sowie an den von Ihrem Ministerium initiierten Arbeitsprozess. Wir fordern Sie auf, die Stellungnahmen des bm:ukk ernst zu nehmen und sich für ihre umfassende Realisierung einzusetzen! Und wir appellieren an Sie, menschenrechtliche Grundsätze nicht einer oft fragwürdigen Koalitionsdisziplin unterzuordnen.

In diesem Zusammenhang richten wir folgende Fragen an Sie:

Was werden Sie tun, um Mobilitätsbarrieren real abzubauen, anstatt ihrer Zementierung zuzustimmen?

Was werden Sie tun, um dem UNESCO-Übereinkommen zur kulturellen Vielfalt im fremden- und beschäftigungsrechtlichen Bereich gerecht zu werden?

Was werden Sie tun, um auch Ihre Minister-KollegInnen an eben diese Verpflichtung zu erinnern und auf entsprechendes Handeln hinzuwirken?
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