Gegen den Kuhhandel beim KünstlerInnen*Sozialversicherungsfonds

Pressemitteilung Kulturrat Österreich, 18.6.2012
__/ Kuhhandel KünstlerInnen*Sozialversicherungsfonds (KSVF):
__/ Pensionsklausel gegen Beschneiden des Künstler-Sozialversicherungsfonds
__/ Mit Protest-Mail zum Selbst-Verschicken

Es ist ein Skandal:
Nach drei Jahren Arbeit in interministeriellen Arbeitsgruppen mit dem erklärten Ziel, die soziale Lage der Kunstschaffenden spürbar zu verbessern, soll nun die Einkommensbasis des Künstler-Sozialversicherungsfonds (KSVF) beschnitten werden. Und die Regierung will uns das als politischen Erfolg verkaufen.

Schon bevor die Berufsgruppe der KünstlerInnen als „Neue Selbstständige“ 2001 der SVA, der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, zugewiesen wurde, war klar, dass die meisten Versicherungspflichtigen Probleme beim Bezahlen der Versicherungsbeiträge haben würden. Anders als bei UnternehmerInnen anderer Branchen verdienen nämlich überwiegend Dritte an der Verwertung von Kunst. Die KünstlerInnen selbst leben prekär. Daher wurde zeitgleich der KSVF eingerichtet, der u.a. durch Abgaben auf wesentliche Content-Kanäle (Kabelnetzbetreiber, Satellitenanlagenverkauf) gespeist wird.

Das KSVF-Gesetz wies allerdings von Anfang an grundlegende Schwächen auf. Ein äußerst enger Kunstbegriff und eine zu hohe Einstiegs- bzw. knapp bemessene Einkommensobergrenze schränken den Kreis von BezieherInnen deutlich ein: Die Hälfte der in der Studie zur sozialen Lage der Kunstschaffenden befragten Personen erreicht die Mindestgrenze nicht, und insgesamt beziehen derzeit nur etwa 4500 Personen Zuschüsse aus dem Fonds (demografisch war bei der Einrichtung des KSVF mit rund 12.000 Berechtigten gerechnet worden). Demgegenüber waren 2779 BezieherInnen mit Rückzahlungsforderungen konfrontiert, die in aufwändigen Einzelfallprüfungen aufgearbeitet werden müssen, zwei Drittel der Fälle wegen Unterschreiten der Einkommensuntergrenze aus selbstständiger künstlerischer Arbeit.

2008 brachte eine Novelle des KSVF-Gesetzes zwar kleine Erleichterungen, gleichzeitig aber auch eine ganz neue Einschränkung beim Zugang zu den Zuschussleistungen: die sogenannte Pensionsklausel. KünstlerInnen, die eine wie immer geartete Pensionsleistung beziehen (Waisen, Witwen, Invaliden usw.), sind seit 1.1.2009 von einem Zuschuss aus dem Fonds ausgeschlossen. Und KünstlerInnen, die das gesetzliche Anspruchsalter für die Alterspension erreicht haben, sind ebenfalls von einem Zuschuss aus dem Fonds ausgeschlossen – egal, ob sie die Pension auch angetreten haben oder nicht.

Das hat existenzielle Konsequenzen: Die meisten KünstlerInnen erhalten keine Pensionsleistung, von der sich leben lässt, sind auf Zuverdienste aus ihrer künstlerischen Tätigkeit angewiesen und/oder wollen weiterarbeiten. Dadurch kann rasch wieder die Pflicht entstehen, sich in der SVA zu versichern – gleichzeitig aber gibt es keinen Anspruch mehr auf Zuschüsse aus dem KSVF.
Eine strukturelle Benachteiligung ist die Folge.

Nun soll diese 2008 entstandene Baustelle im KSVFG wieder beseitigt werden: Die Pensionsklausel steht rückwirkend ab 2008 vor dem Fall. Obwohl diesem Schritt „weder aus sozialpolitischen noch aus sozialrechtssystematischen Gründen entgegen getreten werden [kann]“, wie selbst Prof. Mazal laut Begründung des aktuellen Initiativantrags von SPÖ und ÖVP (vom 13.6.) bereits 2010 festgestellt hat, war die Abschaffung bisher offenbar nicht durchführbar. Tatsächlich soll der Fall der Pensionsklausel aber jetzt mit einem fatalen Handel auf Initiative der WK/ÖVP erkauft werden: mit einer vorläufig vorübergehenden Reduktion der Einnahmen des KSVF, mit dem Ziel, das Fondsvermögen binnen fünf Jahren um 11 bis 13 Millionen Euro zu verringern.

Statt endlich eine breit angelegte Novelle des KSVF-Gesetzes anzugehen, statt die Einkommensuntergrenze abzuschaffen, statt einen der künstlerischen Tätigkeit entsprechenden realistischen KünstlerInnenbegriff aufzunehmen (selbst Lehrtätigkeiten im eigenen Kunstfach gelten gem. KSVF-Gesetz nicht als künstlerische Arbeit), statt den BezieherInnenkreis zu erweitern und z. B. Kultur- und MedienarbeiterInnen mit einzubeziehen, statt die Fonds-Einnahmen einer grundsätzlichen Reflexion zu unterziehen (der ORF hat sich bei Gründung des Fonds aus der Verantwortung ziehen können, Bundeszuschüsse werden seit 2003 nicht mehr gezahlt), wird ohne jede Not ein guter Teil der Fondseinnahmen geopfert – und damit der Handlungsspielraum für künftig notwendige Überarbeitungen substanziell eingeschränkt.

__/ WIR sagen NEIN zu einem solchen Deal!!!

__/ Bedingungslose Abschaffung der Pensionsklausel jetzt!

__/ Keine Beschneidung der finanziellen Basis des KünstlerInnen-Sozialversicherungsfonds!

_______/ Aufruf zum Protest-mailen

Wir rufen dazu auf, bei der ressortzuständigen Ministerin Claudia Schmied sowie den Mitgliedern im Kulturausschuss persönlich zu protestieren. Der vorliegende Initiativantrag soll kommenden Donnerstag, den 21.6.2012, im Kulturausschuss besprochen werden und steht sodann Anfang Juli im Parlament zur Abstimmung.

__/ Ein Mailvorschlag anbei – als Vorlage für jene, die nicht selbst formulieren möchten:

Sehr geehrte Bundesministerin!
Sehr geehrte Mitglieder im Kulturausschuss des Parlaments!

Ich protestiere auf das Schärfeste gegen die Pläne der Regierungsparteien, die Mittel des KünstlerInnen-Sozialversicherungsfonds innerhalb der nächsten 5 Jahre nahezu zu halbieren: Von derzeit 28 Millionen Euro auf geschätzte 15 Millionen! Die Abgabe, die rechtmäßig von VerwerterInnen künstlerischer Arbeit seit 11 Jahren eingenommen wird, soll nun völlig überraschend drastisch abgesenkt werden – was steckt dahinter?

Ich fordere stattdessen, das Fondsvermögen dazu zu verwenden, die längst überfällige Abschaffung der Untergrenze durchzuführen, um jenen Kunst- und Kulturschaffenden, die am schlechtesten sozial abgesichert sind, Zuschüsse zu ermöglichen.

Ich verbleibe in Erwartung Ihrer Stellungnahme,

mit freundlichen Grüßen

XY

optional einfügbar: Darüber hinaus müssen die Sofortmaßnahmen des Kulturrat Österreich – kulturrat.at/agenda/sozialerec… – umgehend umgesetzt werden.

__/ AN

BM Claudia Schmied claudia.schmied@bmukk.gv.at
Obfrau Kulturausschuss Sonja Ablinger sonja.ablinger@parlament.gv.at
Obfrau-Stellvertreterin Silvia Fuhrmann silvia.fuhrmann@parlament.gv.at
Obfrau-Stellvertreter Wolfgang Zinggl wolfgang.zinggl@gruene.at

Weitere Mailadressen der Mitglieder im Kulturausschuss
kulturrat.at/agenda/sozialerec…

_______/ Weitere Informationen:

__/ Initiativantrag KSVFG-Novelle von SPÖ/ÖVP
www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/X…

__/ Sofortmaßnahmenpaket zur Verbesserung des KSVF
www.kulturrat.at/agenda/sozial…

__/ Übersicht zum Thema Zehn Jahre KSVF
www.kulturrat.at/agenda/sozial…

__/ Pensionsklausel: §17 (7) des KSVFG besagt seit 2008, dass jeder Anspruch auf eine gesetzliche Pensionsleistung dem Bezug von Zuschüssen zur Sozialversicherung gem. KSVFG entgegensteht – unabhängig vom tatsächlichen Bezug, den Lebensumständen, oder der Höhe der Pensionsleistung. Eine ausführliche Erklärung, wieso diese Klausel abzuschaffen ist, enthält der aktuelle Initiativantrag von SPÖ/ÖVP.

__/ Reduktion Fondseinnahmen: Konkret geplant ist eine auf fünf Jahre befristete Senkung der SAT-Abgabe von 8,72 auf 6,– Euro pro verkauftem Satellitenreceiver, sowie die gleich befristete Reduktion der monatlichen Abgabe von gewerblichen BetreiberInnen einer Kabelrundfunkanlage für jedeN EmpfangsberechtigteN von Rundfunksendungen. Damit soll in diesen Jahren ein operativer Verlust des KSVF von rund 11-13 Millionen erzielt werden, um das Fondsvermögen zu reduzieren.

(*) Offiziell gibt es noch immer keinen geschlechtergerechten Sprachgebrauch im Titel des Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetzes (KSVFG).

_______/ Rückfragen:

Kulturrat Österreich
Gumpendorfer Str. 63b
A-1060 Wien
contact@kulturrat.at
kulturrat.at

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