Fair Pay für Künstler_innen der Freien Szene / Transparenz der Strukturen für die Freie

Pressemitteilung der IG Freie Theater, 9.10.2019

Die freischaffenden Künstler_innen in Wien tragen die Verantwortung für die künstlerischen Produktionen, sie entwickeln die Konzepte und Ideen – und realisieren diese.
Die Künstler_innen fordern Fair Pay mit Honoraruntergrenze pro Proben- bzw. Vorstellungstagen, die ihnen ein Überleben ermöglichen. In Berlin wird dieses Instrument seit 2016 erfolgreich angewendet.

Von den mehr als € 28 Mio eingesetzten Fördergeldern der Stadt Wien pro Jahr für die freie Theater- und Tanzszene Wiens (lt. NPO-Studie „Tanz- und Theaterszene in Wien / 2012“) werden ca. € 4,7 Mio direkt an Künstlerinnen und Künstler ausbezahlt – also knapp 17% (Jahr 2018). Dieses Geld ergeht in Form von Projektförderungen, 1-, 2-, 4-Jahresförderungen sowie aus Bezirksförderungen an künstlerische Produktionen ohne eigene Spielstätte (u. a. Theater, Tanz, Performance, Kinder- und Jugendtheater sowie Musiktheater). Pro Jahr werden ca. 90 Gruppen gefördert, inklusive Bezirksförderungen werden ca. 130-140 Projekte unterstützt.
Diese Gelder werden eingesetzt, um Produktionen zu realisieren und alle Beteiligten zu bezahlen. Die Produktionsverantwortung liegt bei den einzelnen Gruppen, sie sind für sämtliche administrativen Anforderungen und für die Bezahlung aller Beteiligten und der gesamten Realisierung verantwortlich.

Häufig arbeiten diese Künstler_innen in guter und produktiver Kooperation oder Koproduktion mit den Spartenhäusern. Abseits der Eigenproduktionen der Häuser, bei welchen die Mitwirkenden direkt vom Haus beschäftigt werden, sind die Künstler_innen bzw. Gruppen für die Entstehung der Produktionen selbst verantwortlich, d.h. sie tragen das finanzielle Risiko selbst. In manchen Fällen erhalten die Gruppen Koproduktionsgelder (die als Zuschüsse zu den Produktionen zu verstehen sind) bzw. geldwerte Leistungen der Häuser (etwa Proberäume, Technik, Bewerbung etc.), manchmal auch Honorare für Vorstellungen bzw. Einnahmenteilung. Dieses System hat sich über viele Jahre hinweg positiv bewährt und muss selbstverständlich unterstützt werden. Die Institutionen und Spartenhäuser in Wien erhalten hierfür pro Jahr eine Basisförderung von € 13,3 Mio von der Stadt Wien und € 920.000 vom BKA (lt. Presseunterlagen vom 7.10.2019).

Sehr oft aber arbeiten die Künstler_innen komplett selbständig, realisieren ihre Produktionen unabhängig und suchen sich ihre Aufführungsorte selbst. Die finanzielle und administrative Verantwortung liegt bei den Gruppen selbst.

Ergänzend zur Vorstellung der Forderungen der Häuser darstellender Künste Pakt Wien vom 7.10.2019, insbesondere zu den dort präsentierten Forderungen nach einem Fair Pay Modell für Mitarbeiter_innen der Häuser, ist es notwendig, den Blick auf die Künstler_innen selbst zu richten. Zum einen müssen die direkten Förderungen für die Künstler_innen selbst aufgestockt werden. Weiters wird es wichtig, die vorhandenen Strukturen für die Freie Szene transparent zu machen und entsprechend der aktuellen und zukünftigen Arbeitsweisen der Künstler_innen zu definieren.

Angepasst an die Größe und finanzielle Ausstattung der Häuser schlagen wir einen übersichtlichen Informationskatalog vor, der z.B. folgende Fragen beantwortet und auf den Websites der Häuser veröffentlicht wird.

  • Transparenz der eingesetzten Mittel
    Wie hoch ist die jährliche Förderung? Welcher Anteil der Mittel wird auf die Bezahlung von Künstler_innen verwendet? Wie hoch ist der Aufwand für Mieten / Betriebskosten / Struktur am Standort? Wie gestaltet sich das Gehaltsschema an den Häusern – und gibt es ein Schema bzw. Mindestsätze bei der Entlohnung der Künstler_innen? Wie hoch ist der Erfolg bei der Einwerbung von Drittmitteln bzw. Projektgeldern?
  • Transparenz der Aufgaben
    Welche Aufgaben haben die einzelnen Häuser, auch hinsichtlich der Förderung der heimischen Szene? Wie genau kommen sie dieser Verantwortung nach? Was sind Erfolgskriterien? Welche Strategie wird eingesetzt, die Künstler_innen lokal, bundesweit und international sichtbar zu machen? Nach welchen Kriterien werden mit den Künstler_innen Produktionen vereinbart – und wie werden Künstler_innen in ihrer Karriere unterstützt?

Die Stadt Wien – als mit Abstand größter Fördergeber bzw. Eigentümer – sowie das Bundeskanzleramt/Kunst sollen Klarheit über die eingesetzten Mittel der öffentlichen Hand ermöglichen. Wir schlagen vor, gemeinsam transparente Kriterien zu erarbeiten – gemeinsam mit Fördergebern, Künstler_innen und Vertreter_innen der Spartenhäuser / Strukturen.

 

Die IG Freie Theater wurde vor mehr als 30 Jahren gegründet und vertritt mehr als 1.500 Akteur_innen der freien darstellenden Kunst. Seit 2018 ist sie Gründungsmitglied und Sitz des Europäischen Dachverbands der Freien Darstellenden Künste mit Mitgliedern in derzeit 11 Ländern.

 

Kontakt bei Rückfragen:
IG Freie Theaterarbeit
Ulrike Kuner – Geschäftsführung
u.kuner@freietheater.at
01/403 87 94

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