Der ORF erfüllt seinen Kulturauftrag nicht

Erklärung österreichischer Kunst- und Kulturverbände, 18. März 2014

Im Juli 2013 haben Mitglieder der ARGE Kulturelle Vielfalt der Österreichischen UNESCO-Kommission*, durch die die Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen gewährleistet werden soll, in einem offenen Brief an ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz ihrer dringenden Sorge über die Entwicklungen im ORF Ausdruck gegeben. Inzwischen sind acht Monate vergangen. Bis zum heutigen Tag haben lediglich die frühere SPÖ-Kultursprecherin Sonja Ablinger und Grünen-Mediensprecher Dieter Brosz auf diesen Alarmruf reagiert. GD Wrabetz, aber auch alle anderen MediensprecherInnen sowie der damalige für Medienfragen zuständige Staatssekretär Josef Ostermayer haben das Schreiben unbeachtet gelassen.

Die Mitglieder der ARGE sehen sich daher im Licht der aktuellen Entwicklungen veranlasst, erneut an die Genannten heranzutreten, um dem Kahlschlag, der seither ungehindert weitergeht, Einhalt zu gebieten.

An der fortschreitenden Erosion des Kultur- und Bildungsauftrags hat sich nichts geändert. Lediglich den Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt will der ORF, durch SponsorInnen dazu ermuntert, nun doch als Programmbestandteil erhalten. Auf das ebenfalls von der Streichung bedrohte, der zeitgenössischen Musik gewidmete „musikprotokoll“ des steirischen herbstes trifft hingegen die neue Kultur-Kahlschlagwirklichkeit zu, es muss mit der Hälfte des bisherigen Geldes vom ORF auskommen. Seine Mitgliedschaft beim Österreichischen Musikfonds hat der ORF mit Ende 2013 gar aufgekündigt, die finanzielle Unterstützung des Fonds, der heimische Musikproduktion unterstützt, eingestellt.

Ganz in diesem Sinn kündigt der ORF die Kürzung des Gesamtbudgets bei Fernsehproduktionsaufträgen um 1/3 an. Das hätte zur Folge, dass über 2000 Filmschaffende arbeitslos würden, eine beispiellose Ausdünnung österreichischen Fernsehschaffens würde den Kulturauftrag des ORF praktisch ad absurdum führen.

Damit nicht genug: Das Film/Fernsehabkommen, eine wichtige Säule der österreichischen Filmförderung, soll nach Aussagen von GD Wrabetz von 8 auf 4 Mio. halbiert werden. Damit wären Beteiligungen an wichtigen Filmen – wie etwa die an dem oscarprämierten Film „Amour“ von Michael Haneke – kaum noch möglich.

Auch die jüngsten Maßnahmen des ORF tragen nicht zur Beruhigung bei: Die Pläne den Wiener Küniglberg als zentralen ORF-Standort mit Newsroom für TV, Radio, Online einzurichten, werden von weiten Teilen der Kunst- Kultur- und Medienbranche kritisiert und abgelehnt. Zurecht besteht Sorge, dass vor allem Musikschaffende das Nachsehen haben werden, wenn das traditionsreiche Funkhaus geräumt werden muss. Sehr wahrscheinlich ist ferner, dass das Radiosymphonieorchester diesen Standortwechsel nicht überleben wird. Und am Beispiel der Personalpolitik im Kunst- und Kultursektor in den Landesstudios und neuerdings auch bei Ö1 zeichnet sich jetzt schon ab, dass der ORF nach den zuständigen Verantwortlichen für Kunst- und Kultur-Programme die von ihnen verantworteten Programme in den Ruhestand schickt.

Erneut fordern wir, als Vertretungen von Kunst-, Kultur- und Bildungseinrichtungen daher den ORF dazu auf, seinem Kulturauftrag im vollen Umfang zu entsprechen.

Wir fordern den ORF dazu auf, das Film-Fernsehabkommen in zumindest voller Höhe weiterzuführen.
Wir fordern den ORF dazu auf, das Gesamtbudget bei Fernsehproduktionsaufträgen in zumindest gleicher Höhe aufrechtzuerhalten.
Wir fordern den ORF dazu auf, das Funkhaus zu erhalten.
Wir fordern den ORF dazu auf, aus seinen Flächenprogrammen in den Landesstudios wieder klar strukturierte Sendungen mit kulturellen, künstlerischen und literarischen Inhalten zu machen.
Wir fordern den ORF auf, das „musikprotokoll“ weiter in voller Höhe zu finanzieren.
Wir fordern den ORF auf, seinen Ausstieg aus dem Österreichischen Musikfonds rückgängig zu machen und den Musikfonds wieder finanziell zu unterstützten.
Wir fordern den ORF auf, klare Verantwortungen und Zuständigkeiten für Kunst und Kultur beizubehalten und wo sie nicht mehr bestehen, sie wieder zu schaffen.
Wir fordern den/die GesetzgeberIn auf, seine Staatsaufsicht auszuüben und die Einhaltung des gesetzlichen Auftrags des ORF zu überprüfen.

Wir können für den derzeitigen ORF nicht bestätigen, dass es sich bei ihm um einen öffentlich-rechtlichen Sender handelt, er ist bestenfalls ein Sender, der noch nicht genug ein solcher Privatsender sein kann, wie er gerne wäre.

Dachverband der österreichischen Filmschaffenden
Maria Anna Kollmann, Geschäftsführerin

IG Autorinnen Autoren
Gerhard Ruiss, Geschäftsführer

IG Bildende Kunst
Daniela Koweindl, kulturpolitische Sprecherin

IG Freie Theaterarbeit
Sabine Kock, Geschäftsführerin

IG Kultur Österreich
Elisabeth Mayerhofer, Geschäftsführerin

IG Übersetzerinnen Übersetzer
Brigitte Rapp, Geschäftsführerin

Kulturrat Österreich
Maria Anna Kollmann, Vorsitzende

Musikergilde
Peter Paul Skrepek, Präsident

Österreichischer Komponistenbund
Klaus Ager, Präsident

Österreichischer Musikrat
Harald Huber, Präsident

Wien, 18. März 2014

* Das UNESCO-Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen (BGBl. III Nr. 34/2007) ist für Österreich seit 2007 rechtlich bindend und verpflichtet Bund, Länder und Gemeinden zu Schutz und Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen. Eine wesentliche Rolle für Produktion, Verbreitung und Zugang zu einem breiten Spektrum an Kunst und Kultur kommt dem öffentlichen Rundfunk zu, wie Artikel 6 des Übereinkommens festhält.

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